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Maria Eetcafé

Es war schon alleine die Bezeichnung, die meine Neugierde weckte. „Eetcafé“, das hatte sich aus den Niederlanden bei mir eingeprägt. Eine Form des Restaurants, die in den Niederlanden ein Mittelding zwischen Imbiss und Café verkörperte. Die Speisekarte, klein gehalten, bestand aus Imbissen. Die Inneneinrichtung glich derjenigen eines Cafés: nicht so geräumig wie ein Restaurant, dabei war vieles aus naturbelassenem Holz, mal gediegen und schwer, mal in weichen und hellen Tönen, nicht nur Stühle und Tische, sondern oftmals auch die Wände und der Thekenbereich.

So war es denn auch in Köln am Hans-Böckler-Platz. Ein überraschender Anblick, als ich den Bahnhof Köln-West verlassen hatte. Das Schild „Maria Eetcafé“ lockte an der Fassade aus Beton- und Glaselementen, die zu Institutionen des Deutschen Gewerkschaftsbundes gehörte. Neben einer Hinweistafel, die Zukunftsvisionen der Arbeit entwarf, und über einer Bronzetafel mit dem eingravierten Kopf des Hans Böckler thronte dann die allumfassende Maria mit einer Portion Fritten in der einen und einem kühlen Blonden in der anderen Hand.

Nein, Maria war keine Niederländerin, sondern eine ur-deutsche Besitzerin. Maria hatte sich als Phantasiefigur selbstständig gemacht und füllte alle Ecken und Winkel des Eetcafés aus. Das stand ihr nicht schlecht, wie sie die Produkte hoher Braukunst anpries. „Belgisches Bier ist sexy“, mit diesem markigen Spruch hieß die mannshohe Marienstatue die Besucher im Eingangsbereich willkommen. Der Spruch stand auf einem Bierdeckel in der rechten Hand der Statue, in der linken Hand machte eine Grolsch-Flasche mit Bügeldeckel die Kehlen der Gäste durstig. Irgendwo war ein Nest voller Marienfiguren. Auf der blau und weiß gefleckten Wand breiteten weitere Marienfiguren beschwörend ihre Hände aus, in einer losen Abfolge auf Regalbrettern stehend, unterbrochen von einem Nikolaus, dessen strenger Blick niemanden berührte.

Wie wahr: „Alles ist vergänglich, nur der Durst bleibt lebenslänglich“, mit diesen Worten schwebte der Geist von Willi Millowitsch nach seinem Tode über der Theke fort. Willi Millowitsch hätte sich allerdings schwer getan, seinen Durst mit der hiesigen, Kölner Braukunst zu löschen. Fast alle Biere kamen aus Belgien. Ich entdeckte den Zwerg mit dem weißen Bart und der roten Mütze aus den Wäldern der Ardennen. Die Trappistenbier-Sorte „La Chouffe“ mit eben diesem Zwerg als Logo vor den schwarzen Großbuchstaben hortete ich genauso in unserem Keller. Mit all den Biersorten fühlte ich mich prompt nach Belgien versetzt. Viele helle, dunkle, starke, mit Malz gebraute Trappistenbiere stammten mit ihrem weichen Geschmack aus Belgien. Grimbergen, Rochefort, Korsendonk, Leffe, St. Bernardus, Tripel Karmeliet – und La Chouffe. Die meisten dieser Trappistenbiere hatte ich schon einmal getrunken.

Aber in der Mittagszeit wollte ich auf die Köstlichkeiten belgischen Biergeschmacks verzichten. Mittags war zu früh für Alkohol, schließlich wollte ich nicht benebelt und besäuselt von den Wogen des Alkohols Köln erleben. Mittagszeit war Essenszeit, und da kamen mir die Imbisse, die für ein niederländisches Eetcafé typisch waren, gerade recht. In den Niederlanden hatte ich stets Frikandel gegessen, diese Wurst aus einer Gehacktesmasse ohne Pelle, längs aufgeschnitten und belegt mit Ketchup, Mayonnaise und Zwiebeln. Nun wollte ich etwas Neues ausprobieren. Ich wählte Bitterballen und ließ mir von der Besitzerin erklären, dass es sich um knusprig frittierte Fleischragout-Bällchen handelt.

In einer weißen Schale bekam ich sechs solcher Fleischbällchen serviert, gespickt mit zwei Fähnchen der Niederlande. Die Bitterballen schmeckten köstlich. Gar gebratenes Rindfleisch war püriert und gewürzt worden, mit einer Panade aus Paniermehl und Ei bestrichen worden und im Fett knusprig gebacken worden. Die sechs kugelgroßen Bitterballen hatten mich rundum gesättigt, dazu hatte ich eine Portion Fritten aus frischen Kartoffeln gegessen, so wie es in den Niederlanden üblich war.

An dem Fenstertisch hatte ich es mir gemütlich gemacht. Auf der blanken Tischplatte schillerte die tief braune Maserung satt durch die Lasur hervor. Durch das dreiteilige Fenster konnte ich beobachten, schauen, betrachten, was sich alles regte am Westbahnhof. Wie Menschen und Züge vor sich hereilten. Züge hielten am Bahnsteig oder rauschten ungebremst fort. Andere Menschen zog es nicht auf den Bahnsteig, sondern ins Unterirdische, die Rolltreppe in die U-Bahn hinab.

Das Eetcafé füllte sich, bis es gegen ein Uhr gut besucht war. Ein kurzer Wink, Gesten wurden interpretiert. Man kannte die Wünsche der Kunden, von denen ein gewisser Teil nach Stammkundschaft aussah. Nein, Maria war keine Niederländerin, sondern eine ur-deutsche Besitzerin, dessen Vorname Miriam war. Urlaube in den Niederlanden hatten die Idee geboren, die niederländische Imbisskultur auf Deutschland zu übertragen. Grundverschieden von deutschen Imbissen, waren diese mit ihren kleinteiligen Gerichten sehr vielfältig und schmeckten hervorragend. Alleine die Fritten aus frischen Kartoffeln erzeugten ein schnelles Gefühl der Sättigung.

Es war eine Marktlücke, wie sich herausstellen sollte.

Anschrift:

Hans-Böckler-Platz 1-3

50672 Köln

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