Strauss Innovation - der Niedergang eines 114 Jahre alten Familienunternehmens
Die Aussage im Dezember 2016 klang klar und erschütternd. „Trotz intensiver Bemühungen konnte bisher kein Investor gefunden werden, der das Unternehmen und die Belegschaft übernimmt“, hieß es in einer Mitteilung der Kanzlei AndresPartner aus Langenfeld bei Düsseldorf. Der Insolvenzverwalter Dirk Andres werde den Geschäftsbetrieb „stufenweise einstellen und mit dem Abverkauf beginnen“. Die Kanzlei kündigte an, dass noch vor Weihnachten Verhandlungen zum Interessenausgleich und zum Sozialplan beginnen sollten. Bundesweit würden 670 Mitarbeiter in 57 Filialen der Ladenkette Strauss Innovation ihren Arbeitsplatz verlieren. Die Ladenkette für Mode, Bettwäsche und Dekoartikel sollte bis Ende Februar 2017 alle ihre Filialen schließen.
Filiale in Bonn-Bad Godesberg
Das 114 Jahre alte Traditionsunternehmen Strauss Innovation durchlief gleich mehrere Insolvenzverfahren. Es war im Jahr 1902, als die Eheleute Maria und Heinrich Strauss ihr erstes Geschäft für Kurz-, Weiß- und Wollwaren in der Düsseldorfer Altstadt eröffneten. Heute weiß kaum einer mehr, was Kurzwaren sind, geschweige denn, dass sie jemand benötigt. Damals jedoch, als noch jede Frau nähen konnte und ein kaputter Pullover nicht gleich durch den nächsten ersetzt wurde, lieferte Strauss genau das, was die Kunden brauchten. Mit Erfolg: Aus dem Lädchen wurde ein Unternehmen, immer mehr Filialen wurden eröffnet. Und Strauss blieb in Familienhand. Zumindest bis ins Jahr 1989, als die Familie Strauss ihr Lebenswerk verkaufte.
Obschon mich Mode- und Bekleidungsläden wenig anziehen, bin ich durchaus gerne durch die Filiale von Strauss Innovation geschlendert. Das breit angelegte Weinangebot hatte mich neugierig gemacht, und so bummelte ich nebenher an all den Ständern von Hosen, Jacken, Hemden, Pullovern vorbei. Die Filiale war großzügig, breit gefächert, sie wirkte hell und sprach mich mit ihrer Optik und ihrem Warenangebot irgendwie an.
1989 hatte die Familie Strauss noch gehofft, ihr Geschäftskonzept in den eigenen Händen behalten zu können. Zum Geschäftsführer bestimmten sie einen Angestellten, der seine Karriere in ihrem Hause begonnen hatte. Der neue Geschäftsführer Peter Ludwig Geringhoff baute die Filialen radikal um und fügte der Einzelhandelskette die Bezeichnung „Innovation“ hinzu. Fortan standen neben Textilien und Bekleidung auch Kleinmöbel, Gartenmöbel, Geschirr, Dekoartikel, Handtücher, Wein oder Plätzchen im Angebot. Dieses gemischte Warenangebot, ansonsten eher selten im Einzelhandel, kam durchaus bei den Kunden an und war lange Zeit erfolgreich.
Aktion "ALLES MUSS RAUS !"
Die Insolvenz kam schleichend, nachdem sich Geringhoff 2004 aus der Geschäftsführung zurück gezogen hatte. Sein Sohn Peter übernahm die Einzelhandelskette – und er scheiterte letztlich an der Sortimentstiefe, der Sortimentsbreite, an der Dichte des Filialnetzes und an der Konkurrenz. Er expandierte und eröffnete neue Filialen, doch diese warfen nur Kosten und kaum Umsätze ab. Bei Deko-Artikeln und Einrichtungsaccesoires griffen die Wettbewerber ALDI und LIDL an, die in extrem kurzen Zyklen Aktionsware anboten. Peter Geringhoff versuchte, sich von LIDL, ALDI & Co zu differenzieren, indem er höherwertige Ware anbot und diese aber mit Rabattaktionen versah. Sowohl die ständigen Sortimentswechsel wie die Rabattaktionen verschlangen Kosten, hinzu kam, dass Einzelhandelsketten wie Butlers oder Depot das Ladenkonzept von Strauss Innovation kopierten.
Dauerhaft schwierig ist ohnehin die Lage der Modebranche, die nur noch über globale Wertschöpfungsketten überleben kann. Der Konkurrenzdruck ist riesig, Kampfpreise verlagern die Produktionsstandorte in neue Niedriglohnländer wie Vietnam, Indien, Bangla-Desh, Myanmar, und der Imageverlust kann bisweilen immens sein, wenn Einzelhandelsketten an Standorten produzieren, an denen Arbeiter durch einstürzende Fabrikhallen getötet werden.
Als die Kosten nur noch explodierten, drohte bereits im Jahr 2008 die Insolvenz. Doch durch den Verkauf an die schwedische Investorengruppe EQT wurde frisches Kapital zugeschossen, welches aber an die Bedingung geknüpft war, Strauss Innovation mittelfristig wieder profitabel zu machen. Im Umfeld der allgemein schwierigen Lage der Bekleidungsbranche, womit Strauss Innovation den größten Anteil der Umsätze erzielte, sollte es niemandem gelingen, deutlich mehr Käufer in die Filialen zu locken und die Umsätze bei dünnen Margen signifikant zu steigern. Alleine Rabattaktionen konnten die Umsätze stabilisieren, wodurch sich aber keine Gewinnmargen erzielen ließen.
Dass Strauss Innovation 2011 an die nächste Investorengruppe Sun Capital Partners weiter verkauft wurde, war genauso eine Verzweiflungsaktion wie das 2014 beantragte Schutzschirmverfahren. Gemeinsam mit zwei Sanierungsexperten sollten alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, die Insolvenz abzuwenden. Daraufhin wurden bundesweit 19 Filialen geschlossen und 300 Mitarbeiter entlassen. Doch die tiefen Einschnitte halfen nicht. Als im Juni 2016 die anstehende Winterkollektion nicht finanziert werden konnte, musste erneut Insolvenz angemeldet werden.
erstes Geschäft von Kurzwaren in der Düsseldorfer Altstadt 1902; Quelle: www.rp-online.de
„Ohne die Unterstützung durch einen oder mehrere Investoren ist es uns aufgrund von wirtschaftlichen und insolvenzrechtlichen Vorgaben nicht möglich, Strauss Innovation dauerhaft weiterzuführen“, so umriss der Insolvenzverwalter Dirk Andres die betriebswirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Es fand sich eine Beteiligungsgeselsschaft aus der Nähe von Würzburg, die aber kurzfristig wieder absprang, so dass im September 2016 ein neues Insolvenzverfahren beantragt wurde. Die Insolvenzmasse reichte gerade noch aus, bis vor Weihnachten Gehälter zahlen zu können.
Bis Ende Februar 2017 gehen nun überall die Lichter aus. Im Großraum Köln/Bonn sind davon die Filialen in Siegburg, Bergisch Gladbach, Frechen, Köln-Mülheim, -Ehrenfeld, -Weidenpesch, am Chlodwigplatz, auf der Breiten Straße und in Bonn-Bad Godesberg betroffen.