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auf dem Rotweinwanderweg von Dernau nach Ahrweiler

Wie oft waren wir diese Strecke gewandert ? Als unsere kleine Tochter noch nicht geboren war, absolvierten wir regelmäßig den Rotweinwanderweg, insbesondere, wenn Freunde uns besuchten. Nach der Geburt veränderten sich die Vorlieben für das Wandern. Es war der Abschnitt des Rotweinwanderwegs von Ahrweiler nach Dernau, der uns besonders zu begeistern vermochte. Noch im Kinderwagen sitzend, schoben wir diesen mit Freunden fleißig vor uns hin, als unsere Tochter gerade ein Jahr alt war. Danach musste ich bis zum Jahr 2012 zurück zählen, dass wir das letzte Mal dieselbe Strecke mit einem anderen befreundeten Ehepaar und deren Töchtern gewandert waren. Nun, sieben Jahre später, zog es mich erneut an die Ahr, diesmal ganz alleine auf weiter Flur. In dem sich zu seinem Ende neigenden Herbst waren sämtliche Reben in den Weinbergen abgepflückt, und bei dieser Wanderung hatte sich der Ausstiegsbahnhof der Ahrtalbahn geändert, denn ich wanderte in umgekehrter Richtung von Dernau nach Ahrweiler.

Nachdem mich die roten Waggons der Ahrtalbahn ausgespuckt hatten, schlich ich durch den Dernauer Ortskern, der in der morgendlichen Stille so ausgestorben war, dass ich nur wenigen Menschenseelen begegnete. Der Dernauer Esel, eine Hinterlassenschaft der Amerikaner aus der Zeit der Alliierten Besatzung nach dem Ersten Weltkrieg, wies den Weg, ebenso die Dorfkirche mit ihrem massiven Bruchsteingemäuer, welches sich älter heraus geputzt hatte als es in Wirklichkeit war. Obschon 1147 erstmals Urkunden eine Kirche in Dernau nennen, geschah der Neubau des Kirchturms mit dem Bruchsteingemäuer erst in den 1920er Jahren. Die schmale Teerstraße musste ich weiter den Ort hinauf kraxeln, um zum Ausgangspunkt der Wanderung zu gelangen, dem Symbol der roten Rebe, die den Rotweinwanderweg kennzeichnete. Etwas mehr als zehn Kilometer eines Teilstücks lagen vor mir, die erwandert werden wollten.

Außerhalb der Weinlese, regte sich naturgemäß nicht allzu viel in den Weinbergen. Weinbauern, wenn sie überhaupt anzutreffen waren, übten sich eher eines prüfenden Blickes als dass sie sich an den Weinstöcken zu schaffen machten. Der gut asphaltierte und gut beschilderte Wanderweg schlängelte sich durch Weinlagen, die durch Schilder der einzelnen Weinbauern abgesteckt waren. Auf Bänken konnte man sich ausruhen, wenn die Müdigkeit allzu sehr erschöpfte. An Übersichtstafeln konnte sich der Weinbauinteressierte schlau machen, welche Lagen mit welchen Rebsorten zu welchen Domänen gehörten. Steintreppen kletterten Steilhänge hinauf, deren Hanglagen bisweilen so steil waren, dass deren Bewirtschaftung eine Herausforderung war. Nicht ganz so steil ging es nun auf dem Rotweinwanderweg bergab, der sich im Tal nach einer Haarnadelkurve scharf drehte. Ruinen haben mich stets fasziniert, davon haben sich Klosterruinen deutlich weniger verbreitet als Burgruinen. Und mit denjenigen Klosterruinen von Limburg in der Pfalz oder Villers-la-ville in Belgien, an deren grandios stehen gebliebene Klostermauern ich mich bis heute intensiv erinnere, kann die Klosterruine von Marienthal bei weitem nicht konkurrieren. Diese Klosterruine, wo ich nun vorbei tappste, umriss gerade ein Karree, das keine hundert Meter entfernt lag von Bundesstraße B267. Die alterhrwürdigen, im Chor abgerundeten Klostermauern dokumentierten die Überreste, welche die Säkularisation im Jahr 1802 übrig gelassen hatte. 1137 war das Kloster Marienthal als Augustinerkloster gegründet worden, seit 1925 diente es in seinem Anbau als Sitz der staatlichen Weinbaudomäne.

Impressionen auf dem Rotweinwanderweg: Dernau (oben links), Klosterruine Marienthal (Mitte), Ahrweiler (unten rechts), dazwischen jede Menge Weinberge

Der weitere Verlauf des nunmehr unbefestigten und matschigen Rotweinwanderwegs irritierte mich, da dieser parallel zu der von Autos umrauschten Bundesstraße B267 verlief. Das änderte sich aber schlagartig, indem der Weg mit einer mächtigen Steigung das Tal verließ. Abwechselnd übergehend in einen Belag aus Asphalt und Beton, hörte die Steigung in Wendungen, Kurven und Kehren nicht auf, wobei der gewaltige Felsvorsprung der „bunten Kuh“ einen festen Bezugspunkt hoch über dem Ahrtal bildete. Diese Felspartien mit einem wahrhaft wilden Flussverlauf der Ahr hatten so manche Lyriker und Romantiker, Dichter und Denker in ihren Bann gezogen. Diese lose Vereinigung von Dichtern und Denkern, mit politischen Beweggründen, um ein geeinigtes Deutsches Reich herzustellen, war ausgeschwärmt mit ihren Motiven der Leidenschaft an den Rhein. Viele, so Simrock, Kinkel oder auch der Bonner Professor Ernst Moritz Arndt, wussten sich auf ihren Wanderungen an die Ahr zu begeistern: „Dieses Felsentor zwischen Mergenthal und Walporzheim schließt die erhabene Ahr zu, und mit Walporzheim und dem weiter und breiter geöffneten Blick über Ahrweiler hin öffnet sich die schöne Ahr.“ In diese Worte fasste Arndt die Schönheit des Ahrtals, die an diesem Punkt besonders spektakulär war.

Auf der Höhe angekommen, musterte ich die Aussichtsplattform über der „bunten Kuh“ über einen Seitenweg: ein wahrhaft spektakulärer Blick über die sich windenden Schleifen der Ahr in das tief abstürzende Tal. Zurück zum Rotweinwanderweg genoss ich die Abgeschiedenheit des Wanderweges in dieser Jahreszeit. Das war nicht immer so, zumindest nicht bei schönem Wetter in der Zeit der Weinlese, wenn der Wirtschaftsweg zu den beiden Ausflugslokalen hoffnungslos mit Autos zugeparkt war. Während das Ahrtal auf der rechten Seite sich wieder in das Blickfeld zurück schob, erfreute ich mich indes daran, dass ich der einzige Mensch auf weiter Flur war. Ein wenig später trudelte mir ein älteres Ehepaar mit ihren Nordic-Walking-Stöcken entgegen, deren Gesichtsausdruck nach dem Anstieg etwas angestrengt und verzerrt war. In meiner Richtung führte der Weg indes bergab. Rechterhand baute sich das Ahrtal-Panorama auf mit dem Kloster Kalvarienberg, der Autobahnbrücke der Autobahn A61 sowie den Berggipfeln der Landskron und des Neuenahrer Berges. Linkerhand kennzeichneten Schilder die Rebsorten des Patenschaftsweinberges der Dagernova Weinmanfaktur, geradeaus senkte sich der Rotweinwanderweg schnörkellos in das Ahrtal hinab.

Bevor ich Ahrweiler erreichte, zog der Weg zwischen in Herbsttönen gezeichnetem Laub eine lange Schleife ins Tal. Die Römervilla erhob sich am Wegesrand, sehr unromantisch begleiteten die breiten Fahrspuren der Umgehungsstraße den Wanderweg. Ich schritt am Bahnhof vorbei, und auf dem Marktplatz von Ahrweiler studierte ich voller Interesse die Fresken aus dem 15. Jahrhundert in der Pfarrkirche St. Laurentius.

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