top of page

die Kölner Südbrücke



Unter den acht Kölner Rheinbrücken ist die Südbrücke etwas besonderes. In Film und Fernsehen ist sie ein beliebtes Motiv, meine eigene persönliche Beziehung zu dieser Brücke habe ich auf dem Fahrrad erlebt.

Güterzüge ratterten über die Gleise und ließen den Brückenkörper erschütterten. Der Pulk der Waggons riß nicht ab: schwerfällig, als kolossale Masse, beinahe so kolossal wie die Brückenkonstruktion, schleifte sich Waggon für Waggon über die Rheinbrücke. Die Bewegung war langatmig, nach unten floß der Rhein gespenstisch, die Tiefe unter der Brücke bedrückte, und zwischen den Lücken der Waggons flackerte der Umriss einer menschlichen Gestalt auf. Ein Teenager-Mädchen hielt sich an einem Brückengeländer fest und schaute verängstigt. Ihr Handy vibrierte. Sie sprang in den Fluss und begang Selbstmord. Dies war die Anfangsszene des Tatorts „Tanzmarieche“ aus dem Jahr 2017, den wir am Sonntagabend geschaut hatten. Gedreht wurde diese Szene auf der Kölner Südbrücke. Zwei Monate waren nach dem Selbstmord des Mädchens vergangen, als die Tanztrainerin des Karnevalsvereins „De Jecke Aape“ wenige Tage vor dem Start der Karnevalssession am 11.11. erschlagen aufgefunden wurde. Die Kommissare Freddy Schenk und Max Ballauf ermittelten im Umfeld einer Tanzgruppe und stießen auf Eifersucht, Mobbing, Kölner Klüngel und dem Karneval als Phänomen der Sucht. Es war nicht der erste Fall in einem Kölner Tatort, dass die Südbrücke eine entscheidende Rolle in der Dramaturgie gefunden hatte. In der Folge „Hubertys Rache“ aus dem Jahr 2022 wurde ein Ausflugsschiff auf dem Rhein entführt. Um den Entführer zu stellen, war der Kommissar Max Ballauf in cognito auf das Schiff eingeschleust worden. An der Südbrücke hatten sich Scharfschützen der Polizei positioniert, doch kurz vor der Brücke drehte das Schiff aus einem unbekannten Grund ab und wendete. Nicht nur in Film und Fernsehen ist die Kölner Südbrücke ein beliebtes Motiv, unter den acht Kölner Rheinbrücken ist sie etwas besonderes. Und ich selbst habe eine eigene persönliche Beziehung zur Südbrücke, die damit zusammen hängt, dass neben den Güterzügen ausschließlich Fahrradfahrer und Fußgänger die Brücke benutzen können.


Gefühl, Emotionen und meditative Ruhe mit den Güterzügen

Wie oft habe ich als Fahrradfahrer auf dieser Brücke den Rhein überquert ? Als ich noch in Köln gearbeitet hatte – das war bis zum Jahr 2001 – war es relativ oft, danach wesentlich seltener, zuletzt im September letzten Jahres. Als Fußgänger oder Fahrradfahrer mit den Güterzügen alleine für sich zu sein, hat etwas für sich. Dass der Autoverkehr abwesend ist, erzeugt ein Gefühl von Besinnlichkeit. Es ist ein stetiger Strom von Güterzügen mit Erholungspausen. Fahren die Güterzüge vorbei, ruckelt und zuckelt es, die Brücke wackelt und vibriert. Das harte Rollen der Räder über die Schwellen hat etwas festes, nachdrückliches, entschlossenes und steht vielleicht sinnbildlich für den Willen des Menschen, der so manchen sprichwörtlichen Berg versetzen kann. Das Wackeln und Vibrieren verstärkt sich, wenn gleich zwei entgegen kommende Güterzüge die Brücke passieren. Sind die Zügen vorbei geglitten, setzt die meditative Ruhe wieder ein.

Es lässt sich nicht leugnen, die Südbrücke ist ein Gefühl und ist Poesie, was in die Kompositionen eines Wolfgang Niedecken als Kopf der Kölschrockgruppe BAP eingeflossen ist. In dem Stück „met wolke schwadde“ aus dem Album „Pik sibbe“ beschreibt er seine Stimmung auf der Südbrücke unter Möven und vorbei gleitenden Schleppkähnen:


Op dä Südbröck stonn ich off Stunde, immer widder

Luhr ich dä Möwe un dä Schleppkähn noh,

Loss ming Jedanke frei.

’Ne Jüterzoch un ungendurch dä Rhing flüüß wigger,

Su wie sick Johr un Daach, als ob nix wöhr,

Stumm, majestätisch ahn dä Stadt vorbei …


Um mich selbst als Fahrradfahrer in eine derartige Stimmung erheben zu können, bedarf es allerdings viel Aufwand, Kraft und Mühe, das Treppenhaus besitzt nämlich keine Rampe. Man muss also das Fahrrad schultern und die Treppenstufen hoch schleppen – eine äußerst mühselige Plackerei. Zudem ist das Treppenhaus von den Poller Wiesen aus verschandet durch jede Menge Wandschmierereien, so dass man genau hinschauen muss, um die Schönheit der architektonischen Elemente aus der Kaiserzeit zu erkennen. Die Bauzeit der Südbrücke datiert fast zeitgleich mit der Hohenzollernbrücke – Südbrücke 1906 bis 1910 und Hohenzollernbrücke 1907 bis 1911 -, dabei sollten bereits in der Kaiserzeit die Nutzungen getrennt werden: die Hohenzollernbrücke ausschließlich für den Personenverkehr, die Südbrücke für den Güterverkehr, und so ist es bis heute geblieben. Entsprechend den Bauverfahren der boomenden ersten industriellen Revolution wurde die Brückenkonstruktion in der Form eines Stahl-Fachwerkbaus gebaut, dabei kann man in Wirkung und Ästhetik die bekanntere Hohenzollernbrücke als Paar mit der Südbrücke betrachten. Um die Erscheinungsbilder zu unterscheiden, bemühte man sich um konstruktive Variationen. Während die Hohenzollernbrücke dem klassischen Bild der Bogenbrücke mit Zugband entsprach, wurde die Südbrücke als durchlaufender Auslegerbogenträger konstruiert. Das heißt: in den Mittelbögen greifen die Seitenöffnungen ineinander über, mit den Brückenträgern ragt die Bogenkonstruktion diesseits und jenseits über das Rheinufer hinaus. 


Ganz viel Gefühl und Tragik von Anbeginn

Vor den Kriegszerstörungen im Jahr 1945 muss die Südbrücke, nicht nur in ihrer Bogenkonstruktion, großartig und phänomenal ausgesehen haben. Die Erbauer hatten sich an romanische Bauformen angelehnt und, vorgelagert vor der Brücke, die Grundformen einer Torburg nachgebildet, in der ein Zwinger zwischengelagert war. Dieser wurde wiederum von zwei steinernen Bogenbrücken getragen. Stadteinwärts sind in dieser Torburg figürliche Darstellungen des Rheins und des Rheinlandes in Sage und Geschichte dargestellt. Auf der anderen Seite verdeutlichen Reliefs und Figuren die Bedeutung des Rheinlandes für die Industrialisierung der Jahrhundertwende: Schifffahrt, Bergbau, Handel, Industrie. Während sich die Türme auf der linken Rheinseite trotz der Kriegseinwirkungen gut erhalten haben, wurden diese auf der Rheinseite zu den Poller Wiesen in der Nachkriegszeit gekappt. Genau diese Türme werden als Treppenaufgänge genutzt, ohne Rampe für Fahrradfahrer, so dass das Hochtragen auf sechs bis sieben Ebenen ein großes Mühsal darstellt. Oben angekommen, entlohnt der phänomenale Ausblick auf den Rhein mit einer Einzigartigkeit, welche die anderen Rheinbrücken nicht zu bieten haben: dieser Ausblick vereinigt die Türme des Doms mit den Kranhäusern am Rheinauhafen. Der Aufenthalt zwischen dem Brückengeländer und den Bahngleisen ist ein wahrhaft schöner und besinnlicher Ort, wären da nicht solche Inszenierungen wie in dem Tatort „Tanzmariechen“, die einen Selbstmord verfilmt haben. Ganz viel Gefühl und Tragik wohnte der Südbrücke von Anbeginn bei, als sich in der Bauphase ein schweres Unglück ereignete. Am 9. Juli 1908 brach bei der stückweisen Aufstellung des stählernen Haupttragwerkes das Montagegerüst zusammen. Etwa 40 Arbeiter stürzten mit den Trümmern in den Rhein. Das Ergebnis dieses spektakulären Unfalls waren acht Tote und 14 Verletzte. Aus diesem Grund verzichtete man auf eine Eröffnungsfeier im Jahr 1910.

Als beliebtes Motiv über dem Rhein konnte ich zuletzt die Südbrücke im ARD-Morgenmagazin bestaunen. Der Wetterfrosch Donald Bäcker erzählte seine Wetterprognose, als die ersten Sonnenstrahlen über dem Rhein und über der Kölner Südbrücke aufgegangen waren. Wie der Wetterbericht es so wollte, waren die äußeren Bedingungen an diesem Tag erschwert. Man hätte an diesem Tag die eindrucksvollen Stimmungen auf der Brücke bei Regen aushalten müssen.

 

Comments


Guten Tag ! Hallo ! Bonjour ! Prettige dag ! Buenas dias ! Willkommen auf meinem Blog !

NEUESTE POSTS

© 2025 by Dieter Wimmers. Proudly created with Wix.com

bottom of page