Tagebuch Juli 2024
1. Juli 2024
Am Tag meines Geburtstages nahm ich die üblichen Glückwünsche entgegen, die über Textnachricht oder Mail eingingen. Mit dem Älterwerden ist das so eine Sache. Ich habe stets gerne Freunde eingeladen und mit ihnen gemeinsam den Geburtstag gefeiert, so werden sich in diesem Jahr gleich drei Runden ergeben. Die erste mit der Dreier-WG zum Eisessen, die zweite mit dem Freundeskreis, der Jahr für Jahr konstant geblieben ist, die dritte Runde mit Vettern und Cousinen, die ist in diesem Jahr neu. Heute habe ich eine Freundin zu der zweiten Runde eingeladen, die viele Jahre mittlerweile meinen Einladungen fern geblieben ist, ihr Mann ist aber an Krebs erkrankt. Sie hat sich sehr über die Einladung gefreut. Wegen der drei Runden von Einladungen hatte ich in diesem Jahr darauf verzichtet, mit der Familie am Tag des Geburtstags essen zu gehen, so wie an anderen Geburtstagen. Doch da hatte mich unsere Tochter überrascht, dass ich selbst der Eingeladene sein sollte: Frau und Tochter wollten mich einladen. Ich wählte das chinesische Restaurant zwei Orte weiter wegen des hervorragenden Buffets. Darüber hatte ich mich sehr gefreut, ich war bereits dabei, Kartoffeln abzukochen, ich hatte Zucchini mit Fisch und gestückelten Tomaten eingeplant. An solch einem Tag war mir viel mehr nach Essengehen zumute als selber zu kochen. Wie sonst, schmeckte das Buffet in dem chinesischen Restaurant vorzüglich. Wie bereits in anderen Situationen geschehen, sah sie Kunden. Als Postangestellte am Schalter, läßt es sich nicht vermeiden, dass sie von vielen Menschen gesehen wird. An Stellen, die öffentlich sind oder wo viele Menschen zusammen treffen, erkennt sie oftmals Kunden wieder. Diesmal saß ein Kunde am Nachbartisch, der oftmals eine große Anzahl von Prio-Briefen aufgab. In ihrer Tätigkeit lernt meine Frau bisweilen seltsame und bizarre Kunden kennen. Zuletzt wollte eine Kundin Handtaschen an eine Freundin nach München verschicken. Das Paket hatte sie nur mit dem Vornamen der Freundin beschriftet, was sie als selbstverständlich empfand: Anschrift plus Vorname, aber ohne den Nachnamen der Empfängerin. Meine Frau dachte an den Zusteller, dass es entweder nicht der Stammzusteller war oder dass es sich um ein Mehrfamilienhaus mit sehr vielen Briefkästen handeln könnte. Die Kundin war schwer für diese Probleme zu sensibilisieren, bis sie erfolglos versuchte, ihre Freundin telefonisch zu erreichen, sie verschwand schließlich mit dem Paket auf ihrem Arm. Mit unserer Tochter diskutierten wir darüber, wie es denn sein könne, wieso ihre Mathematiklehrerin auf der Realschule ihr Fach unterrichten konnte, ohne dass sie dieses im Rahmen ihres Lehramtsstudiums studiert hatte. Wir vermuteten einen Lehrermangel in diesem Fach, doch die Antwort stellte unsere Tochter nicht zufrieden, zumal sie bei dieser Lehrerin eine fünf auf dem Zeugnis gehabt hatte. Kurz bevor wir gingen, lernte ich, dass man sich beim Zuprosten in die Augen schauen sollte. Nachdem meine Frau bezahlt hatte, hatte uns die Kellnerin mit einem hellroten Saft in einem kleinen Glas bedacht. Beim Austrinken hatte ich unserer Tochter nicht in die Augen geschaut, worauf sie mich auf diesen Umstand hinwies. Unser Enkelkind hatte übrigens anfangs geschlafen, später war er aufgewacht und bestens präsent. Da er sein Spielzeug in kontinuierlichen Zyklen aus der Autoschale warf, meinten wir, er würde uns mit einem „Spielzeugweitwurf“ beschäftigen. Er beförderte sein Spielgerät auf den Boden, wir hoben es wieder auf, er freute sich über das wiedererlangte Spielzeug und warf es später erneut auf den Boden. So rundeten wir den Abend meines Geburtstags mit dem Essen am Buffet ab, und ich bedauerte, irgendwann satt zu sein und keine zusätzliche Menge essen zu können.
2. Juli 2024
Im Freundes- und Bekanntenkreis hört man immer wieder, dass das Thema Erbschaft die Verwandtschaft aufwühlt, weil es um dicke Summen von Geld geht. Jeder fühlt sich benachteiligt, niemanden kann man gerecht werden, man wird sich spinnefeind, Gräben werden aufgerissen. So oder so ähnlich könnte es mit meinem Bruder ablaufen. In einer Nacht- und Nebelaktion wurde ein Testament ausgeheckt, das mit dem Wert der zu vererbenden Immobilie nichts zu tun hatte. In einem Telefonat klärte ich ihn auf, dass es so etwas wie einen Pflichtteilsanspruch gäbe, wovon er nichts wissen wollte. Als ich ihm im Klartext erläuterte, dass ich mehr als die Summe x im Testament beanspruchen würde, wenn dies ein entsprechendes Gutachten belegen würde, war er schockiert. Dieser Schockzustand schien ihm so in die Glieder gefahren zu sein, dass er sprachlos wurde und nichts mehr zu sagen imstande war. Wortlos legte er den Hörer auf und beendete das Gespräch. Davor hatte er in einem anderen Zusammenhang gesagt, dass er sich am nächsten Tag sowieso wieder melden würde, um mir zum Geburtstag zu gratulieren. Dieses Telefonat sollte ausbleiben, der Schock dürfte angedauert haben. Anstatt dessen schrieb er mir gegen ein Uhr nachts eine Textnachricht, dass er mir zum Geburtstag gratulierte. Seitdem herrscht Funkstille zwischen uns.
3. Juli 2024
All die Wehwehchen des Schwagers sind bisweilen undurchschaubar. Wegen allem nur erdenklichen Kleinkram ruft er bei uns tagein, tagaus an, darunter sind jede Menge von diesen Wehwehchen. In diesen Tagen rief er bei uns an, dass sein Bein wegziehe. Oftmals äußerte er sich in einer undefinierten und wenig spezifizierten Beschreibung, wo an welcher Stelle welcher Schmerz genau wirkte. Auf die Frage, wo es denn weh täte und wie sich der Schmerz äußerte, wusste er keine Antwort und druckste herum. Linkes Bein, irgendwo Oberschenkelbereich, es sei mehr ein Zwicken und kein stechender, heftiger Schmerz. In einer ähnlichen Beschreibung äußert er an anderen Tagen Schmerzen im Bauch, am Arm oder an weiteren Gliedmaßen. Wir halten ihn an, mit dem Rollator seine Spaziergänge zu machen, was zumindest dahingehend wirkt, dass die an bestimmten Körperteilen aufgetretenen Schmerzen danach verschwinden. Danach treten aber zyklisch an anderen Körperteilen Schmerzen auf. Wir haben ihn darauf hingewiesen, dass in der Werkstatt Sport angeboten wird, woran er nie teilgenommen hat. Genauso haben wir ihn damit konfrontiert, dass wir, um die Ursachen seiner Schmerzen zu ergründen, in der Vergangenheit von Arzt zu Arzt gerannt sind. Hausarzt, Orthopäde, Neurologe und so weiter. Sogar ein MRT wurde gemacht. Kein Arzt konnte eine Ursache des undefinierbaren und unspezifischen Schmerzes feststellen. So lange wird der Schwager mit all den Schmerzsymptomen wohl leben müssen.
4. Juli 2024
Ein Kollege hatte seinen Ausstand gegeben, der sich in den Ruhestand verabschiedete. Wir setzten uns in den Biergarten am Alten Zoll zusammen, danach lud er uns in eine Pizzeria in der Stadtmitte ein. Um im Biergarten zu sitzen, war das Wetter etwas grenzwertig. Erst kurz vorher hatte der Regen aufgehört, und bei frischen Temperaturen hockten wir auf den Biertischen zusammen. Mit dabei war ein Student der Wirtschaftsinformatik, der an drei Tagen in der Woche in unserem Team mitarbeitete. Er war Anfang 20, und ich teilte seine erfrischenden Gedanken, die mich in die Zeiten zurück versetzte, was für Ideen und Gedanken ich selbst in einem Alter von Anfang 20 gehabt hatte. Fahrradtouren hatte ich damals für mich entdeckt, er hatte sich ein Motorrad gekauft. Über seinen Beziehungsstatus sprach er nicht, aber seine Schwester war mit ihrem aus Uruguay stammenden Ehemann verheiratet, die Familie lebte nun mit ihrem zwei Jahre alten Sohn in Baltimore in den USA. Er erzählte, dass in den USA alles viel teurer ist. Dass Menschen krankenversichert sind, ist eher selten, so dass die Erwerbstätigkeit eine ganz andere Bedeutung hat. In den USA haben sich seine Schwester und ihr Mann ein großes Grundstück auf dem Land gekauft, dort wollten sie Tiny Houses bauen und vermieten. Daraus leitete er die Mentalität der US-Amerikaner ab, dass alles in Geld umgerechnet wird. Geld muss arbeiten, aus Geld muss wieder Geld werden, es war so wie in dem Stück „Money“ von Pink Floyd: „Money, get away, you get a good job with more pay and you’re okay, Money, it’s a gas, Grab that cash with both hands and make a stash …” Beim Pizzaessen erzählte unsere Teamleiterin, dass sie bei der Erziehung ihrer zwei Söhne sehr vieles alleine bewältigen musste. 10 und 12 Jahre waren die beiden mittlerweile alt, sie selbst kam ursprünglich aus dem Osten, ihr Mann war im Vertrieb tätig und dauernd unterwegs. An vier von fünf Werktagen arbeitete sie, und das mit einem sehr großen Engagement und exzellenten Fähigkeiten. Ihr Ehemann hatte zuletzt die Firma gewechselt und arbeitete bei einem Start-Up in Hannover. Dort war er an zwei Tagen in der Woche präsent, die übrigen drei Tage arbeitete er im Home Office, was deutlich häufiger war als in der vorherigen Tätigkeit im Vertrieb. Gelegentlich unterstützte der Schwiegervater, der mittlerweile 84 Jahre alt war. Er hatte allerdings etwas verquere Ansichten und war zum Beispiel ein glühender Anhänger der AfD. Zuletzt hatten er und seine Schwiegertochter sich so sehr in Rage geredet, dass sie ihn heraus geschmissen hatte. Schwiegervater und Schwiegermutter lebten getrennt, wobei sie dreizehn Jahre jünger war als er und in Remagen lebte. Sie hegte keinerlei Interesse für ihre Enkelkinder und ließ sich nie blicken. Der in Ruhestand gehende Kollege war ein Vollbluthandwerker, so dass wir ihm einen Gutschein für einen Baumarkt geschenkt hatten. In seinem Haus hatte er die komplette Elektroinstallation erneuert, von einem Umbauprojekt arbeitete er sich zum nächsten voran. Momentan war er dabei, eine Dachterrasse zu bauen. Den Boden hatte er verlegt, als nächstes war das Geländer zu bauen. Eine andere Kollegin knüpfte das Gespräch an den Schwiegervater der Teamleiterin an. Ihre Eltern lebten nicht getrennt, sie hätten auch nichts mit der AfD zu tun, sie hätten aber andere, verquere Ansichten. Das läge daran, dass sie nie Kontakte gepflegt hätten. Sie lebten in ihrer eigenen Blase ohne eine Beziehung zur Außenwelt. Einen Freundeskreis hätten sie nicht, gegenüber den Nachbarn schotteten sie sich ab, unter Verwandten nahmen sie nur an den nötigsten Feiern teil. So war es problematisch, mit ihnen zu reden. Laufend kamen Ansichten zutage, die weltfremd und haltlos waren. Diese Kollegin erzählte noch über ihr Hobby, das war der Gesang. Erst vor wenigen Jahren hatte sie mit dem Singen begonnen. Sie sang in einer Coverband, welche die Gruppe Toto coverte. Der Schlagzeuger hatte Beziehungen zu Veranstaltern, die Konzertsäle vermittelten. So trat die Coverband in Sälen auf, die einhundert bis zweihundert Besucher fassten. Über www.eventim.de konnte man auf ganz normalem Weg über das Internet Karten buchen. Vor jedem Auftritt war die Kollegin übernervös und dementsprechend stolz über den Applaus des Publikums nach jedem Stück sowie bei der Verabschiedung. Über eine Coverband berichtete auch unsere Teamleiterin. In ihrem Wohnort in Brühl war zuletzt eine Coverband von Depeche Mode aufgetreten. Nicht nur die Musik hatte ihr bombastisch gefallen, sie fand es auch schön, mit dem Fahrrad dorthin fahren zu können und nach Hause wieder zurück. Nachdem ich im Biergarten mehrere Pils getrunken hatte, blieb ich in der Pizzeria antialkoholisch. Mit einem dementsprechend klaren Kopf setzte ich mich gegen 22 Uhr in den Bus und fuhr nach Hause zurück.
5. Juli 2024
Hauptsache, ich würde mich nicht langweilen, so äußerte ich meine Vorahnung gegenüber meiner Frau zum Grillfest des Vereins für Sozialpädagogische Betreuung, von dem mein Schwager künftig betreut werden wollte. Ein Gespräch zur Ermittlung des Hilfebedarfs hatten wir gehabt, und bei diesem Gesprächstermin hatte die Dame des Vereins erwähnt, dass in Kürze ein Sommerfest des Vereins in der Rheinaue statt finden würde, wozu wir herzlich eingeladen seien. Der Termin des Festes lag an diesem Freitag, und um die Anwesenheit zu ermöglichen, bedurfte es kleinerer Widerstände seitens des Arbeitgebers, die dienstlichen Wichtigkeiten aufzuschieben. Der Ort des Grillfestes war ein Grillplatz hinter einem See in der Rheinaue, unweit der U-Bahn-Haltestelle, wir waren allerdings mit unserem PKW angereist. Eine Viertelstunde Fußweg mussten wir von Parkplatz aus absolvieren, wo wir über eine Fußgängerbrücke zu dem Grillplatz gelangten. So an die 25 Personen wohnten dem Grillfest bei, das war Behinderte, Betreuer und Mitarbeiterinnen der Verwaltung. Die Stelle des Grillplatzes hatte etwas für sich, man saß in einer kreisrunden Anordnung auf Mauersteinen, kurz dahinter erstreckte sich der Streifen eines Sees, dahinter öffnete sich die Parklandschaft der Rheinaue. Wie nicht anders zu erwarten, kannten wir keine Menschenseele. Wir saßen am Rand einer Sitzsteinreihe, die Gruppe aus Betreuern, Betreuern und anderen Anwesenden bekamen wir nicht auseinander dividiert. Bevor das Fleisch auf dem Grill, der seitlich von der Sitzanordnung stand, gar war, wurden auf der Rasenfläche Spiele gespielt: eine Art von Boule, ein Mikadospiel aus mannshohen Stäben, Federball. Wir beiden zeigten kein Interesse an den Spielen, uns gelang es aber, mit der neben uns sitzenden, mittelalten, etwas stämmigen Dame ins Gespräch zu kommen. Sie war von vornherein bestens informiert. Die Beantragung der Fachleistungsstunden sei auf ihrem Tisch gewesen, so dass eine neue Betreuung durch den Verein für sozialpädagogische Betreuung sehr konkret sei. Diese Informationen hatte sie, weil sie die Position der Geschäftsführerin innehatte. Wir stellten Fragen und erhielten Antworten. 12 Betreuer beschäftigte der Verein, auf dem Grillfest befanden sich ebenso Mitarbeiter der Verwaltung. 70 Menschen mit Behinderung betreute der Verein, und das Gebiet, wo die Betreuten wohnten, war unerwartet groß. Die meisten wohnten in Köln oder Bonn. Dieses Gebiet reichte linksrheinisch von Lechenich im Rhein-Erft-Kreis bis rechtsrheinisch nach Windeck im Rhein-Sieg-Kreis. So lag unsere Stadt sozusagen im Kerngebiet zwischen Köln und Bonn. Wir redeten ebenso mit einem Betreuer, der seine Tätigkeit gerne machte. Er sah einen Lebensinhalt darin, mit Behinderten zu arbeiten und sie im Alltag zu unterstützen. Wenn sie sich freuen würden, dann erzeugte dies in ihm dieselbe Freude, und mit diesem nachhaltigen Gefühl der Freude beendete er gerne seine Arbeit. Das Grillfest war mitnichten langweilig, so wie ich befürchtet hatte. Und der Schwager erzählte ganz vielen später, dass er bei dem Grillfest dabei gewesen war, obschon er nur wenig mit der Geschäftsführerin und dem einen Betreuer geredet hatte.
6. Juli 2024
Kioske platzieren sich gerne in Bahnhofsnähe. Alles nötige ist dort zu haben, was Reisende so brauchen wie Getränke, Schokoriegel, andere Süßigkeiten, Croissants oder auch Zeitungen. Bisweilen hat sich die Größe von Kiosken sogar zu halben Supermärkten aufgebläht, damit der Bedarf vollständig gedeckt werden kann. Bunt und multikulturell geht es in diesen Kiosken zu, denn die Besitzer stammen häufig aus dem vorderasiatischen Bereich. So gibt es nicht nur Dinge zu kaufen, die in hiesigen Supermärkten erhältlich sind. Die angebotenen Produkte haben noch nichts mit der Vielfalt orientalischer Basare gemein, Wasserpfeifen sind dort aber genauso zu haben wie etwa Lebensmittel aus dem Libanon, angereichert von Prepaid-Karten türkischer Mobilfunkanbieter. Der Schnaps Yeni Raki aus dem Heimatland Türkei wartet darauf, gekauft und ausgetrunken zu werden. All dieses multikulturelle Allerlei vereinigt sich in dem Namen des Kiosks: Babylon. Treffender könnte die Namensgebung kaum sein, die versunkene Stadt im vorderen Orient signalisiert Offenheit und Toleranz, der Name Babylon betreibt ein wenig Sprachverwirrung mit arabischen Schriftzügen, die auf einzelnen Verpackungen auftauchen. Zu dem Durcheinander des Gemischtwarenladens, das auf kleinem Raum all die Nützlichkeiten des Alltags versammelt, passt der Name ebenso nicht schlecht. Das Kiosk liegt nicht in Bahnhofsnähe, aber wenn man mit dem Auto oder dem Fahrrad frontal auf den Schriftzug zufährt, ist dieser nicht zu übersehen.
7. Juli 2024
In der 27. Kalenderwoche war das wichtigste Ereignis das Ausscheiden der deutschen Fußballnationalmannschaft gegen Spanien im Viertelfinale. Wie so viele andere, fühlte ich uns als Sieger, obschon zwei Minuten vor Schluss der Verlängerung das 1:2-Gegentor die Niederlage eingeleitet hatte. Ich selbst vermochte, dem Ausscheiden sehr viel Positives abzugewinnen: die Mannschaft spielte vollkommen auf Augenhöhe mit einer europäischen Spitzenmannschaft, beide Mannschaften boten begeisternden Offensivfußball, das Spiel riss die Zuschauer mit. Die deutsche Mannschaft zeigte so viele Qualitäten, wie man sie über Jahre vermisst hatte, und das Ausscheiden war höchst unglücklich, zumal ein eigentlich berechtigter Handelfmeter in der Nachspielzeit nicht gegeben wurde. Der Fußball vermochte es, die Menschen in höhere Sphären der Begeisterung zu heben, Fußball vereinigte die Herzen. In der 27. Kalenderwoche hatte sich auch etwas tragisches ereignet. Seit etwa einem Monat hatte unsere Tochter wieder einen neuen Partner, ihr Freund war an dem Pfeiffer’schen Drüsenfieber erkrankt. Dieses Drüsenfieber war eine ansteckenden Infektionskrankheit, wozu es keinen Impfstoff gab. Die Krankheit verhielt sich ähnlich wie Corona, es gab eine Mehrzahl von leichten Verläufen, aber auch schwere Verläufe. Genau einen solchen schweren Verlauf hatte der Partner unserer Tochter erwischt. Der Atem wurde schwer, außerdem blähten sich einige innere Organe auf. Er musste notoperiert werden, da ein Milzriss drohte. Anfangs hatte ein Rettungsdienst sich sogar geweigert, ihn ins Krankenhaus zu transportieren, da die Symptome nicht gravierend genug erschienen. Nun lag er auf der Intensivstation, war anscheinend stabil, aber ein Besuch war wegen der Infektionsgefahr strikt untersagt. Zuerst mussten wir hoffen, dass sich unsere Tochter nicht infiziert hatte. Dann war da noch unser Enkelkind, wozu unsere älteste, studierte Medizinerin Entwarnung gab: bei Säuglingen seien keine schweren Verläufe bekannt, diese träten erst bei Jugendlichen auf. Indes nahm die Mobilität unseres Enkelkindes weiter zu. Er wollte nicht nur krabbeln lernen, sondern er war stolz, wenn wir ihn an den Händen hielten, um zu stehen. Die Beine wurden gestreckt und für Bruchteile von Minuten standen die Beine auf festem Untergrund, bis sie irgendwann doch zusammen sackten. Wenn er saß, mussten wir seinen Oberkörper noch ein wenig festhalten. Es reichte allerdings, im Hochstuhl zu sitzen, wenn wir die Seiten mit Sitzpolstern stützten. Das war natürlich ein vollkommen neues Lebensgefühl für unser Enkelkind, wenn er an unserem Esstisch dabei sein konnte mitten unter uns. In seinen Lauten, die er produzieren konnte, äußerte er lautstark seine Begeisterung. In der 27. Kalenderwoche waren wir mit der Technik wieder einmal nicht klar gekommen. Unser Festnetztelefon war vom Router deaktiviert worden, was sich dahingehend äußerte, dass eingehende Anrufe direkt auf den Anrufbeantworter geleitet wurden, wollte man abgehend telefonieren, ertönte das Besetzt-Zeichen. Daraufhin hatte unser Sohn gechattet, worauf ein Reset des Routers durchgeführt worden ist. Danach funktionierte das Festnetztelefon kurzzeitig wieder, bis der Fehler wieder auftrat. In der Dreier-WG hat der eine WG-Bewohner drei Wochen Urlaub, wobei nur wenige Unternehmungen für ihn organisiert sind. Der Bewohner ist Vollwaise, der Kontakt mit seinem Bruder ist sehr sporadisch. Dass er vielleicht in Urlaub fährt, darum hat sich niemand gekümmert. So sitzt er im wesentlichen in seinem Zimmer, er raucht und macht Spaziergänge im Ort. Einen Vorteil hatte allerdings seine Anwesenheit: er half mir bei der Entfernung des Unkrauts im Vorgarten. Die Tagesabläufe des anderen WG-Bewohners ähnelten sich mit dem Unterschied, dass er nach der Beendigung der Tätigkeit in der Behindertenwerkstatt den ganzen Tag wieder zu Hause war. Er rauchte nicht, trank keinen Alkohol, saß alleine herum, fuhr am Wochenende gelegentlich zu seinen Eltern, und es gab nahezu keine Gemeinschaften, worin er eingebunden war. An diesem Sonntag ließ sich ein junger Mann blicken, den mein Schwager nicht kannte, um mit ihm etwas zu unternehmen. Das war ein vorläufig einmaliges und sicherlich schönes Erlebnis für den WG-Bewohner. Schließlich hatte meine Frau in der 27. Kalenderwoche an dem Treffen der Ruheständler im Pfarrheim des Nachbarortes teilgenommen, während mein Team unseren Kollegen verabschiedete, der in den Ruhestand gehen würde. Auf Pinnwänden waren im Pfarrheim die Aktivitäten der Ruheständler festgehalten mit den Treffpunkten, den Tagen und den Uhrzeiten. Darunter war eine Gruppe von Fahrradfahrern, die sich treffen wollte. Das hatte ich mir vorgemerkt, irgendwann mitfahren zu wollen.
8. Juli 2024
Gestern Nachmittag sind wir mit Tochter und Enkelkind im Kinderwagen zur Eisdiele in unserem Ort zu Fuß gegangen. Schwierig waren auf dem Weg zur Eisdiele die Engstellen auf der Straße, wenn der Bürgersteig kleiner war als die Breite des Kinderwagens. Dann versuchte unsere Tochter, den Kinderwagen an den Häuserwänden vorbei zu quetschen, um so wenig wie möglich auf die Straße zu geraten. Etwas kompliziert war es auch, den Schirm so gegen die Sonne zu richten, damit die Sonne nicht in das Gesicht unseres Enkelkindes schien. So wechselte unsere Tochter an der Ampel an der großen Verkehrskreuzung die Straßenseite. Wäre sie auf derselben Straßenseite geblieben, hätten die Wohnhäuser wesentlich mehr Schatten gespendet. So wie sie nun gefahren war, schien die Sonne deutlich häufiger in den Kinderwagen hinein. Bei der Bestellung musste meine Frau umdisponieren, da das Eiscafé keine Erdbeeren mehr vorrätig hatte. Sie wollte einen Erdbeerbecher gegessen haben, anstatt dessen aß sie nun ein gemischtes Eis. Unsere Tochter aß einen Kiwibecher, ich selbst einen Ananasbecher. Wir diskutierten, ob unser Enkelkind ebenso ein Eis essen könnte. Rein theoretisch ja, da in dem Speiseeis keine Stücke waren. Da das Eis aber eine bestimmte Kältetemperatur hatte, waren wir unsicher, wie der Magen darauf reagieren würde. Unsere Tochter meinte zudem, dass Säuglinge keine Kuhmilch vertragen würden. Speiseeis enthielt Milch, aber war dies Kuhmilch im ursprünglichen Sinne ? Wir diskutierten über dies und das, über jenes und welches. So darüber, dass ich zwar viel Flüssigkeit trinken würde, aber in der falschen Form. Bei heißem Wetter trank ich gerne Bier, der Alkohol entzog dem Körper aber die Flüssigkeit. Kaffee war ebenso ein falsches Getränk, da er dem Körper nahezu keine Flüssigkeit zuführte. Da stark zuckerhaltig, entzog Fassbrause dem Körper genauso Flüssigkeit. Unsere Tochter malte die Vision eines von innen ausgetrockneten Körpers. Unsere Tochter kritisierte, dass meine Frau und ich in zu vielen Situationen zu laut miteinander reden würden. Ebenso missfiel ihr, dass ich mich einige Tage nicht rasiert hatte, was auch die Meinung meiner Frau war. All diese Diskussionen wurden unterbrochen vom Stuhlgang unseres Enkelkindes. Angestrengt drückte er seinen Po zusammen – mit Erfolg. Da es im Eiscafé keine Gelegenheit gab, ihn sauber zu machen, mussten wir dies im Kinderwagen erledigen, wozu der Wickelrucksack gute Hilfe leistete (unsere Tochter hatte allerdings nur eine Pempers eingepackt). Für eine solche Aktion hatten die beiden Damen längst Routine, die Sitzlehne des Kinderwagens wurde zurück geklappt, in der Liegeposition wurde der Body aufgeknüpft, die Pempers ausgetauscht und die Pobacke sauber gemacht. Anschließend hatten wir wieder ein glückliches, zufriedenes und sauberes Enkelkind. In der Zwischenzeit begrüßte meine Frau eine andere Dame am Nachbartisch, die sie vor längerer Zeit im Englischkurs kennen gelernt hatte. Nach rund einer Stunde verließen wir das Eiscafé wieder. Wir nahmen denselben Weg nach Hause zurück, mal im Schatten, mal durch die Sonne im Schutz des Schirmes, vorbei an den Engstellen, wo der Bürgersteig zu schmal war.
9. Juli 2024
Zehn Minuten vor dem vereinbarten Installationstermin kam ich auf dem Fahrrad nach Hause zurück, als die Techniker der Fremdfirma mit ihren Montagearbeiten im Keller bereits begonnen hatten. Unser Glasfaser-Anschluss wurde montiert, was im Vorfeld rege Diskussionen mit unserem Sohn erzeugt hatte. Eigens hatte er einen AVM-Router gekauft, den er im Flur aufgestellt hatte, ein Verbindungskabel hatte er in unseren Abstellraum gelegt, was allerdings mit der Verklebung der Befestigungsschellen nicht funktionierte. So hatte ich versucht, den Aufbau des Glasfaseranschlusses zu verstehen, der aus einem Hausübergabepunkt, einer Glasfaserdose, einem Modem und dem Router, bestand. Erst sehr spät, einen Tag vor der Installation, las ich die Mails der Telekom. Mit all seinen Überlegungen war unser Sohn mir weit voraus, doch unser Plan sollte sich mit all diesen Informationen dahingehend ändern, dass wir den Router in unserem Wohnzimmer aufstellen wollten und nicht im Flur. Unser Plan bestand nunmehr darin, vom Keller aus einen Deckendurchbruch zum Wohnzimmer zu bohren zum Router und dem Modem, welches eine Steckdose benötigte. Die Arbeiten der Techniker liefen im Keller höchst unspektakulär ab, indem sie das aus der Kellerwand heraus lugende Kabel mit der orangen Ummantelung in die Glasfaserdose hineinführten, welche sie auf die Wand bohrten. Zwanzig Meter Glasfaserkabel seien in der Dose, das hatten sie unserem Sohn erzählt, doch wie sich die zwanzig Meter in dem Gehäuse versteckten, das fanden wir nicht heraus. Den Aufbau hatten wir verstanden: aus dieser Glasfaserdose musste das Glasfaserkabel über einen Deckendurchbruch in unser Wohnzimmer zum Modem, welches mit einem LAN-Kabel mit dem Router verbunden werden musste. Wir waren unsicher, diese Arbeiten, die an für sich nicht kompliziert waren, selbst auszuführen. Unser Sohn fand heraus, dass auch die Telekom selbst solche Arbeiten zu einem Festpreis von 250 Euro anbot. In den nächsten Tagen würde ich schauen müssen, diese Arbeiten zu beauftragen, damit diese sich nicht, wie es gerne meine Wesensart ist, unnötig verzögerten.
11. Juli 2024
Richard David Precht hat in seinem vierten Band der Geschichte der Philosophie unterschieden zwischen einem literarischen Ansatz und einem gedanklichen Ansatz. Literaten beschreiben die Dinge, wie schön sie sind, Philosophen hingegen, wozu Precht sich zählt, gehen den Dingen auf den Grund, sie zerlegen sie und fügen sie wieder zusammen, sie erstellen gedankliche Gebäude über eine Gesamtarchitektur hinweg. Dabei redet er auch von Steinbrüchen im Form gedanklicher Fragmente, die gesammelt wurden und noch nicht in ihre endgültige Struktur überführt wurden. Ich selbst scheitere daran, dass ich mich sowohl mit dem literarischen Ansatz wie mit dem gedanklichen Ansatz schwer tue. Die Zeitanteile, die ich dafür aufwende, sind bereits fragmentiert, und wenn ich etwas von A bis Z durchbuchstabieren möchte, bleibt ich mitten drin stecken. Die Form des Tagebuchs sollte ursprünglich aus dem literarischen Ansatz hervor gehen, es stecken aber immer wieder gedankliche Fragmente darin. Man mag dieses Tagebuch auch so auffassen, dass mittendrin der Rhein fließt. Literaten, Dichter, Denker und Politiker haben den Rhein bereist. Das waren Schwergewichte wie die amerikanischen Präsidenten Kennedy und Jefferson, die Literaten Goethe und Heinrich Heine oder der Maler William Turner. Und ganz viele mehr, die hier nicht aufgezählt werden können. Das Ziel der Reisen waren oftmals die Burgen, die malerischen Städte und Orte der Sehnsucht. Diese Orte der Sehnsucht haben sich im Alltag bisweilen zu Adern des Verkehrs, verbauten Plätzen und wirtschaftlichen Kraftzentren verwandelt. Genau dies soll eigentlich das Tagebuch darstellen: ein Mosaik aus bunten Puzzlestücken, die auf all der Poesie des Rheins aufsetzen, gedankliche Fragmente von fragmentierten Landschaften in Stadt und Land fügen sich dem an.
12. Juli 2024
Gestern haben wir zum dritten Mal dem SPD-Stammtisch beigewohnt, diesmal aus dem Beweggrund, dass wir keine Lust hatten zu kochen. Die SPD-Genossen trafen sich diesmal auf einem Innenhof in einer Gaststätte im Nachbarort, wo es die gängige heimische Küche von Schnitzeln & Co zu essen gab. Früher oder später wird es sich wohl nicht verhindern lassen, dass ich in die SPD eintrete, obschon ich mit Politik nie wirklich etwas zu tun haben wollte. Bislang war ich dem abgeneigt wegen des zu hohen Beitrages, der in einem monatlichen dreistelligen Betrag lag, da dieser an das Einkommen gekoppelt war. Mein Sitznachbar meinte, dies sei nicht so, der Mitgliedsbeitrag läge deutlich niedriger und wollte dies klären. Wie bei den beiden anderen Malen, war die Runde sehr gemütlich, die Gesprächspartner waren nett und freundlich, die Gespräche waren werthaltig, die Zugehörigkeit zu einer Partei schien die Anwesenden noch besser zusammen zu schweißen, wie Vereine es vermochten. Da der Stammtisch gut besucht war, stellte der Fraktionsvorsitzende die Anwesenden vor, wobei mir als Nicht-SPD-Mitglied ein schwerer Hörfehler unterlief. Der Fraktionsvorsitzende sprach mich auf unser Enkelkind an, ich verstand aber etwas anderes und erzählte über meine Berufstätigkeit und dass ich in etwas mehr als in einem Jahr in den Ruhestand gehen würde. Zu Hause mahnte mich meine Frau, ich solle einen Hörtest machen und mir bei einem dementsprechenden Ergebnis ein Hörgerät anschaffen. Der Stammtisch war mir auch einfach deshalb so sympathisch, weil man mitbekam, was die Menschen bewegte. Wie ältere, allein stehende Menschen zum am Ortsrand liegenden Friedhof kommen könnten, war ein Problem. Im Endeffekt ginge dies nur über Ehrenamtliche, die Fahrpläne von öffentlichen Verkehrsmitteln seien gar nicht darauf ausgerichtet. Bürgerbusse gab es anderswo, aber nicht in unserer Stadt. Ein anderes Problem waren Gänse, die sich zu sehr vermehrten und zur Plage wurden. Der Gesprächsverlauf glitt ins Scherzhafte ab, weil Gänse offiziell abgeschossen werden durften, dazu könnten vielleicht Jagdbehörden etwas sagen können. In einer Straße schienen die Straßenlaternen nicht so zu leuchten, wie sie leuchten sollten. Bei Tageslicht waren sie eingeschaltet, nachts brannten sie zu kurz. Das Ehrenamt kam später zur Sprache, als der Sitznachbar von uns gegenüber über das Hospiz berichtete, das seine verstorbene Ehefrau bis zu ihrem Tod begleitet hatte. An die dreißig ehrenamtliche Helfer hatte das Hospiz, ihre Sterbebegleitung hatte er als sehr hilfreich in Erinnerung. Dem anderen Sitznachbarn, der zu meiner Rechten saß, sah man sein Alter von 80 Jahren nicht an. Da seine erste Ehefrau Niederländerin war, unterhielten wir uns viel über die Niederlande und Belgien. Ein besonderes Verhältnis hatte er zu Kartoffeln, da er sich als Kind in der Nachkriegszeit sehr viel von Kartoffeln ernährt hatte, besonders schätzte er die Kartoffeln aus dem eigenen Garten. Er beschrieb den Hofladen in unserem Ort, wo er die Kartoffeln kaufte, der Hofladen war mir allerdings unbekannt. Nach etwas mehr als zwei Stunden löste die Runde sich auf, und wie die beiden anderen Male hatten wir uns dort sehr wohl gefühlt.
13. Juli 2024
Auf einer Pinnwand sah ich im Pfarrheim des Nachbarortes Fotos von einer Pilgerwanderung nach Trier. Dass vom Nachbarort zu Fuß nach Trier gepilgert wird, das kenne ich, seitdem ich in dieser Gegend wohne. Traditionen des Mittelalters haben so in die Gegenwart überdauert, auch heute nehmen Menschen die Strapazen auf sich, im Mai die rund 180 Kilometer nach Trier zu Fuß zu laufen. Die Strahlkraft von Heiligen scheint nicht nachgelassen zu haben, dass die Reliquien des Evangelisten Matthias, die in einer Benediktinerabtei im Trierer Süden ruhen, übermenschliche Wirkungen entfalten können. Ein paar Knochenreste in einem vergoldeten Schrein ziehen an. Aus Dankbarkeit, zur Buße, aus Hoffnung auf ein Wunder und vieles mehr begeben sich die Menschen auf das Ziel ihrer Pilgerreise. Die Pinnwand hat mit Fotos die sieben Etappen der Pilgerreise dokumentiert, wunderschöne Ecken der Eifel haben die Pilgerer gesehen, die rund 25 Kilometer Fußmarsch pro Tag dürfte die Teilnehmer gut zusammen geschweißt haben. Vor etlichen Jahren hatte das Buch von Hape Kerkeling „Ich bin dann mal weg“ für Furore gesorgt, als er nach Santiago de Compostella gepilgert war. Zum Teil hatte er seine Erlebnisse in belustigender Art und Weise beschrieben: die Mühe und Strapazen, die Gemeinschaft unter den Pilgerern, dass Kriege und christlicher Glauben auf irgendeine Art und Weise doch zusammenfinden. Auf den Fotos sieht man die Pilgerer, dass sie ihr Tagespensum der Wegstrecken abarbeiten, was ein wenig meinen früheren Radtouren gleicht, ein Tagesziel erreicht zu haben, dort sich etwas schönes anzuschauen und ein leckeres Getränk zu gönnen. Solche Tagesabläufe erkennt man weniger auf den Fotos auf der Pinnwand: sie zeigen vielmehr die religiösen Facetten einer Pilgerreise, dass die Pilgerschar in Klöstern übernachtet hat. Sie hat an Gottesdiensten teilgenommen, als Hauptereignis am Ziel in Trier wurde der Abschlussgottesdienst platziert. Die Fotos faszinieren einerseits, andererseits führen sie zurück in eine mystische Welt des Glaubens, der es schwer hat, sich in der Gegenwart zu behaupten.
14. Juli 2024
In der 28. Kalenderwoche ist unsere Tochter keinen Schritt weiter gekommen, um in eine Krabbelgruppe für unser Enkelkind zu gelangen. Als unsere großen Kinder klein waren, wurden diese Krabbelgruppen von der Kirche organisiert. An festen Tagen zu festen Uhrzeiten konnte sich jeder, der Interesse hatte, im Pfarrheim mit seinen Kleinkindern einfinden. So etwas bietet die Kirche nicht an, Alternativangebote sind gut wie nicht existent. Sie hat aber auch nicht gründlich gesucht, was es wo gibt. Anstatt dessen hat sie eine E-Mail an eine Dame vom Jugendamt geschickt, worauf sie keine Antwort erhalten hat. Nicht anders ist die Situation bei einem Kindergartenplatz. Sie hat sich in einem Netzwerk städtischer Kindergärten angemeldet, das ist aber alles. Eine Anmeldung für einen bestimmten Kindergarten ab einem bestimmten Datum gibt es aber nicht. Die Ernährung unseres Enkelkindes hat sich mittlerweile dahingehend eingespielt, dass er morgens gegen 9 bis 10 Uhr ein Obstgläschen gefüttert bekommt, nachmittags gegen 14 bis 15 Uhr bekommt ein im Dampfbad warm gemachtes Gläschen. Abends erhält er regelmäßig seine Flasche mit Milch, morgens zu früherer Uhrzeit meistens, aber nicht immer. Für die übrigen Mahlzeiten stillt unsere Tochter, selbst nachts stillt sie ihn gelegentlich. Dies wird unter Umständen zu Problemen mit der ausgeliehenen Milchpumpe führen, da das Rezept Ende Juli auslaufen wird und nicht verlängert werden kann. Pro Tag wären dann 2,50 Euro für die Milchpumpe zu zahlen. In der 28. Kalenderwoche begegneten sich nach der Beerdigung der Mutter eines Behinderten verschiedene Angehörige und Freunde. Eine Mutter eines Behinderten erzählte von ihrer Schwester, dass sie (das Krankenhaus hatte ich mir nicht gemerkt) operiert werden sollte. Noch am Tag vorher erhielt sie einen Anruf, dass die Operation verschoben werden musste. Der Grund der Verschiebung war etwas ungewöhnlich: es war kein Personal da, um den OP-Saal zu reinigen. Der Fachkräftemangel ist hierzulande in aller Ohren, doch in einer solchen angespannten Situation vor einer Operation dürfte einem als Patient noch mulmiger zumute werden. Dieselbe Mutter eines Behinderten schilderte ihre Mühen, dass sie älter wurde. Mit Mitte 70 wurde es ihr mühseliger, die Geburtstagsfeier für ihren Sohn zu organisieren. In der Woche davor hatte er Geburtstag gehabt, und in den vergangenen Jahren hatte er seine Freunde in einem Restaurant zum Essen eingeladen. Obschon der Aufwand minimal war, die Gäste einzuladen und einen Tisch zu reservieren, beschloss sie, in diesem Jahr nicht zu feiern, allenfalls mit einem gebackenen Kuchen im Kreis der Familie. So wurden denn die Feiern im Kreis der Behinderten weniger. Ein anderer Behinderter war an der Hüfte operiert worden und feierte nicht. Wenigstens konnten wir die Mutter des einen Behinderten überreden, ihm die Karte für die Karl-May-Festspiele zu schenken, wozu er mitfuhr, damit er ein schönes Erlebnis damit verbinden sollte. In der Dreier-WG fiel in der 28. Kalenderwoche ein wichtiges Ereignis aus, das war ein geplantes Essen in der Siegfähre. Erfreulich war dennoch, dass der Schwager sich darauf riesig gefreut hatte, denn er verstand sich wieder gut mit dem einen WG-Bewohner, den er vor geraumer Zeit noch heftig angefahren hatte. Das Essen in der Siegfähre fiel aus, da das Auto der Betreuerin kurzfristig eine Panne hatte und in die Werkstatt musste. Dieses Essen wird aber sicherlich in den kommenden Wochen nachgeholt werden.
15. Juli 2024
Beim gestrigen Besuch der Karl-May-Festspiele hatte ich nachgezählt, wie viele Jahre wir dorthin gefahren waren. Das erste Mal waren wir im Jahr 2001 hier gewesen, so dass wir auf 23 Jahren kamen abzüglich des Jahres des Corona-Epidemie, als die Festspiele ausgefallen waren. Und so erfreuten wir uns auch in diesem Jahr mit zwei Freunden und vier Behinderten an der Vorstellung mit dem Rahmenprogramm. Das Drehbuch für die gestrige Vorstellung „Winnetou und das Halbblut“ wich etwas ab von den gängigen, lustigen und stets guten Szenen, die wir aus den 21 Jahren davor erlebt hatten. Viele Szenen waren in der Vergangenheit Versatzstücke gewesen, die sich wiederholten und in neuer Zusammenstellung eine stets lustige und fesselnde Story ergaben. Der Prolog, der so viel Wahrheit beinhaltete, war in sehr vielen Jahren derselbe: der weiße Mann besiedelte das Land, wovon er ein kleines Stückchen abhaben wollte. Aus dem kleinen Stückchen wurden große Regionen und Gebiete, die er einfach mal so für sich beanspruchte. Genauso verhielt es sich mit den Büffelherden, als die Indianer dem weißen Mann erlaubten, Tiere aus ihren Büffelherden zu erlegen. Während die Indianer nur so viele erlegten, wie sie zu ihrer Ernährung brauchten, erlegte der weiße Mann anfangs nur wenige Büffel, später aber ganze Herden, so dass für die Indianer nichts mehr übrig blieb. Dann wurde Gold entdeckt, und für das Gold war der weiße Mann bereit zu töten. Die Möglichkeiten der Kriegsführung waren ungleich verteilt, so dass die Kämpfe in einen Völkermord ausarteten. Viele Glücksritter tummelten sich, die hinter dem Gold herwaren, permanent gruben die Indianer das Kriegsbeil aus. In dieser Gemengelage waren die Indianer in all ihrer Männlichkeit stolz darauf, Krieger zu sein: kämpfen zu können, durch Mut zu glänzen und die Aussicht auf den Sieg. Diese Fähigkeiten und Fertigkeiten besaß aber niemand, wenn es um Friedensinitiativen ging, diese wurden alleine Winnetou zugeschrieben. In den vergangenen Jahren waren die Karl-May-Festspiele eine Geschichte von den Guten und den Bösen, wobei die Guten stets die Bösen besiegten. Trotz Winnetou und Old Shatterhand war dies diesmal gar nicht so genau auszumachen. Die Armee positionierte sich mit ihren Soldaten nicht neutral, sondern war der Rassenideologie des weißen Mannes verhaftet, in dieser Ideologie deckte die Armee Mord und Totschlag. Die Hauptfigur der Indianer, Senanda, der von seinem Gegenspieler Homascha wegen seiner Friedensabsichten verstoßen wurde, war in sich gespalten. Aus Rache verriet er seinen Gegenspieler an die Armee, die ihn erschoss. Er selbst wurde vom General der Armee angeschossen. Dies löste einen neuen Kreislauf der Rache aus, was an islamistische Selbstmordattentäter erinnerte. Mit Dynamit bewaffnet und einer Art von schwarzem Büßerhemd umgehangen, schleuste er sich, weiterhin verwundet, in das Fort der Armee ein und sprengte alles in die Luft. Zurück blieben nur der Rauch des explodierten Dynamits, der Tod und die verkohlten Palisaden des Armee-Forts.
16. Juli 2024
Noch bei dem Grillfest des Vereins für sozialpädagogische Betreuung hatte ich mich mit einem Betreuer unterhalten, dass er seinen Beruf gerne ausübte. Mit Behinderten zu arbeiten mache ihm Spaß, gerne gehe er mit Menschen um, er trage Verantwortung, und wenn die Behinderten sich freuen würden, dann verspüre er mindestens dieselbe Freude. Dass eine solche Betreuung aber auch unmotiviert, desinteressiert und lustlos ablaufen kann, das erlebte gestern meine Frau. Sie stand nämlich an der Bäckerei neben dem Supermarkt, wo sich der eine Behinderte der Dreier-WG gerne mit einigen älteren Menschen unterhält, die dort an den Tischen im Außenbereich ihren Kaffee trinken. Man kennt sich und versteht sich gut. Als sich meine Frau mit den älteren Herrschaften über den Behinderten unterhielt, schritt dieser gerade in diesem Moment mit seiner Betreuerin vorbei, um in dem Supermarkt Einkäufe zu tätigen. Die ganze Zeit, als die beiden heran schritten, telefonierte die Betreuerin mit ihrem Handy. Das Handy klebte an ihrem Ohr, was musste dies für ein wichtiges Telefonat sein ? Null Aufmerksamkeit widmete sie ihrem Betreuten, so dass beide isoliert nebeneinander trotteten. Als die beiden auf der Höhe der älteren Herren sich befanden, gestikulierte die Betreuerin, während sie weiter telefonierte. Die Handbewegungen wiesen zu der Box mit den Einkaufswagen: der Behinderte der Dreier-WG solle bitte einen Einkaufswagen dort heraus holen, damit eingekauft werden konnte. Bis der Behinderte mit dem Einkaufswagen zurück kam, blieb sie stehen. Während dieser kurzen Wartezeit schaute meine Frau zu ihr herüber, aber sie stellte weder einen Blickkontakt her, noch grüßte sie. Dieses abweisende Verhalten, andere nicht zu beachten, behielt sie bei, als der Behinderte sich zu ihr gesellte, den Einkaufswagen in der Hand führend und zum Eingangsbereich des Supermarktes schreitend.
17. Juli 2024
Über die Tücken des Melatoninausstoßes bei Säuglingen wurde ich belehrt, nachdem unsere Tochter vom Toilettengang ins Wohnzimmer zurückkehrte. Es war abends nach 21 Uhr, sein Fläschchen hatte unser Enkelkind bereits bekommen, nach dem Zubettgehen war ihm nicht zumute, dazu war er noch z wach und zu aufgedreht. So kümmerte sich eine Zeitlang unsere Tochter um den Kleinen, und als sie zur Toilette ging, gab sie mir den Wonneproppen. Zuletzt hatte ihr Gang zur Toilette satte fünfzehn Minuten gedauert, und da es so aussah, dass ich mich längere Zeit mit ihm beschäftigen sollte, holte ich mein Laptop heraus und wollte ihm Kinderlieder auf Youtube vorspielen. Ich wählte das Lied „Eine Insel mit zwei Bergen“ aus dem Stück der Augsburger Puppenkiste „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“. Unser Enkelkind hatte sichtlich Spaß bei der Melodie, und ein wenig gelang es mir mitzusingen. Als unsere Tochter ihren Toilettengang beendet hatte diskutierte sie mit mir. Wieso ich den Bildschirm aufgeklappt hätte, unser Enkelkind dürfe nicht auf den Bildschirm schauen. Tagsüber handhabten wir dies genauso, dass wir den Bildschirm unseres Fernsehers ausgeschaltet ließen. Ich gehorchte, klappte den Bildschirm des Laptops zu, die Musik verstummte. Unsere Tochter klärte mich über die Wirkung des Melatonins auf. Wenn das Hormon Melatonin ausgeschüttet wird, dann fördere dies den Schlaf. Die Fixierung der Augen auf einen Bildschirm verhindere dies, sowohl bei einem Fernsehbildschirm wie bei einem Laptop. Wir als Erwachsene schlafen trotz Fernsehkonsums vielleicht noch ein, Säuglinge und Kleinkinder reagierten aber viel empfindlicher. Der Ausstoß an Melatonin würde blockiert, so dass sie nicht einschliefen. Sollte er bis in die späten Abendstunden putzmunter, wach und aufgedreht sein, dann dürfe ich mich um ihren Sohn kümmern. Das wurde später hinfällig. Gegen 22 Uhr kehrte meine Frau zurück, und in ihren Armen auf der Couch im Wohnzimmer schlief er ein.
18. Juli 2024
Der Königsbacher-Biergarten in Koblenz, ein Traum von einem Biergarten. Obschon es auch in Bonn schöne Biergärten gibt, ist es der schönste Biergarten weit und breit, den ich kenne. Der Kerngedanke der bayrischen Biergartenkultur hat sich an den Zusammenfluss von Rhein und Mosel transferiert. Man sitzt unter schattigen, dickstämmigen Plantanen, und das Wetter passt. Es ist heiß geworden an die dreißig Grad, und der kühlende Wind im Schatten der Bäume ist sehr angenehm. Der Ort ist historisch rückwärtig zum Kaiser-Wilhelm-Denkmal. Die Gestalt des Kaisers ist verdeckt durch die Baumreihen, erkennen kann man nur Stückwerke aufragenden Gemäuers. Ein Stück der Festung Ehrenbreitstein lugt durch die Baumkronen hindurch, ebenso geht die St. Kastor-Kirche in all dem Blätterwerk unter. Geradezu idyllisch ist aber die Mosel, die ganz dicht am Ufer zum Greifen nahe ist. Schiffe fahren vorbei, seicht und still gleitet der Strom der Mosel daher, Ausflugsschiffe haben am Ufer geankert. Über die alte Moselbrücke zum Zentrum sieht man den Autoverkehr rollen. Dieser Biergarten ist ein „genius loci“ im eigentlichen Sinne: wo sich Inspiration und Geist entfalten, belebt und beschwingt durch das Glas dunkles Hefe-Weizenbier. Der Geschmack vervielfacht sich in dieser Situation, die Gedanken kreisen, das Gehirn kommt auf Touren. Ein Ort, wo es sich sehr gut aushalten läßt und von wo man nicht mehr weichen möchte.
19. Juli 2024
Die Situation beim Nachbarn ergab sich einen Tag, bevor die beiden in Urlaub fahren wollten. In vergangenen Urlauben haben wir meist nach der Post im Briefkasten geschaut, diese haben wir in den Flur gelegt. Bei ihrem letzten Urlaub war es hingegen nicht möglich, die Post aus ihrem Briefkasten heraus zu holen, weil sie einen neuen Briefkasten angebracht hatten, wozu sie uns keinen Schlüssel ausgehändigt hatten. Als meine Frau unserem Nachbarn begegnete, geschah genau dies, dass wir während des kommenden Urlaubs nach der Post schauen sollten. Dazu sollten wir den Schlüssel des Briefkastens erhalten, der Nachbar hielt diesen in der Hand, er zeigte ich meiner Frau, wollte aber vorher hinein schauen, ob Post im Briefkasten war. Tatsächlich, es war eine größere Warensendung in einem weißen Umschlag im Briefkasten. Ein wenig wunderte er sich, da er niemals Warensendungen in einem solchen Format erhielt, in der Regel waren es kleine und große Pakete. Der Verwunderung wechselte in ein Erstaunen, als er auf den Empfänger schaute. Die Sendung war nämlich nicht für ihn oder seine Frau bestimmt, sondern für unsere Tochter. Klar und deutlich, mit blauer Tinte mit Kugelschreiber geschrieben, stand ihr Name auf der Sendung, und dies mit unserer Adresse, eine Hausnummer weiter. War der Zusteller im Tiefschlaf gewesen ? Ein solches Versehen war kein Einzelfall gewesen, da waren Briefsendungen weit entfernt auf unserer Straße bei total verkehrten Hausnummern eingeworfen worden. Die Empfänger hatten den Brief dann kurzerhand bei uns vorbei gebracht und die Aufgabe eines Zustellers übernommen. Als wir die Warensendung an unsere Tochter übergaben, äußerte sie ebenso ihre Verwunderung. DHL hatte ihr nämlich mitgeteilt, dass die Sendung zugestellt worden sei. Unsere Tochter hatte – bis dahin – aber keine Sendung erhalten. Nun klärte sich der Sachverhalt wenigstens. Und unsere Tochter sollte viel Freude mit der Warensendung – deren Inhalt ich bis jetzt noch nicht kenne – haben.
20. Juli 2024
Als ich gegen 7 Uhr meine Frau weckte, weil sie früh arbeiten musste, war die Überraschung groß, dass die Tochter mit unserem Enkelkind nicht mehr im Bett lagen. In der Nacht hatte ich unser Enkelkind gehört, danach war er wieder verstummt, nun fehlte auch der Kinderwagen im Flur. Wo waren die beiden abgeblieben ? Diese Frage beantwortete sich schnell, denn unsere Tochter fand sich mit Kinderwagen vor unserer Haustüre ein. Ich half ihr in Haus, und wir waren etwas erstaunt, dass sie zu dieser sehr frühen Uhrzeit mit ihrem Sohn draußen einen Spaziergang gemacht hatte. Bedingt durch das heiße Wetter, war unser Enkelkind bereits kurz vor 4 Uhr morgens wach geworden, meine Frau hatte ihm ein Fläschchen gegeben, danach war er nicht mehr eingeschlafen. Das Wetter war so heiß, dass es selbst in der Nacht nur wenig abkühlte, was die Schlaf- und Wachphasen unseres Enkelkindes erheblich durcheinander brachte. Nach 4 Uhr war er topfit und aufgedreht, sein Drang nach Entdeckung und Erkundung stand unserem Schlafbedürfnis entgegen. Weil die morgendlichen Stunden die wenigen kühlen Stunden an diesem Tag sein sollten, nutzte unsere Tochter die Gelegenheit. Gewöhnlich blieb unsere Tochter morgens lange im Bett liegen, so dass meine Frau ihr entgegen hielt, sie müsse mit ihrem Sohn in Allerherrgottsfrühe an die frische Luft. Dies hatte sie heute getan. Kurz nach 8 Uhr fuhr meine Frau mit dem Fahrrad zur Arbeit, die Tochter kümmerte sich um ihren Sohn, gegen halb 10 bekam er ein Obstgläschen gefüttert. Zuvor hatte ich den Kleinhäcksler neben unserer Kompostecke aufgebaut, wo es ganztägig schattig sein würde. Das Unkraut vor dem Kartoffelturm hatte ich entfernt, Rindenmulch hatte ich dort ausgebreitet, bis halb 10 hatte dieses Stück Erde noch im Schatten gelegen. Danach erledigte ich unsere Wocheneinkäufe, denn nachmittags lag eine Geburtstagseinladung des Schwagers um 17 Uhr dazwischen, er war in der Siegfähre zum Essen eingeladen. Ich kaufte ein, fuhr zurück, kümmerte mich um das Mittagessen, damit gegen 12.45 Uhr etwas auf dem Tisch stehen würde, wenn meine Frau von ihrer Arbeit zurück kehren würde. Ich erntete Kritik zu dem Essen, was ich gekocht hatte. Ich hatte zu alte Zucchini angedünstet, denen der Eigengeschmack verloren gegangen war. Auf diese hatte ich in der Auflaufform die Gehacktes-Reis-Masse aufgeschichtet, die vom Vortag übrig geblieben war, und mit Käse überbacken. Bis ich den Schwager zum Geburtstag fuhr, beschäftigte ich mich mit Kleinhäckseln von Strauchwerk und dickeren Zweigen, die sich zu einem größeren Berg in der Kompostecke angehäuft hatten. Unser Fliederbaum und die Buche auf dem Nachbargrundstück schützten gegen die knallende Sonne. Wie in anderen Situationen, war die Parkplatzsituation an der Siegfähre eine Katastrophe, als ich den Schwager zu der Geburtstagsgesellschaft fuhr. Schon weit vor dem eigentlichen Parkplatz fuhren suchende Autos in die letzten verbliebenen Parkbuchten ein. Ich erinnerte mich an den Sommer vor zwei Jahren, als wir es mit Mühe und Not so gerade geschafft hatten, aus dem komplett vollgestopften Parkplatz überhaupt heraus zu kommen. So bog ich nach links ab und fuhr unter die Brücke der Landstraße über die Sieg, wo ich in der Ferne einige freie Parkplätze erblickte. Außer dem relativ weiten Fußweg zur Siegfähre hatte dieser Parkplatz den Nachteil, dass er über sehr grobe Steine führte, die mit dem Rollator kaum zu bewältigen waren. Der Schwager trug den Rollator mehr über die Steine, als dass er sich darüber hinweg bewegte. So dauerte es einige Zeit, bis wir auf den Hauptweg abbogen. Wir schritten zum Eingangsbereich der Siegfähre, wo wir auf diverse andere Geburtstagsgäste stießen. Nach Hause zurück gekehrt, kümmerte ich mich um das eigene Essen, das war Schlemmerfilet mit Bratkartoffeln und Gurkensalat von Gurken aus dem eigenen Garten. Bevor unser eigenes Essen fertig war, holte ich den Schwager wieder von der Siegfähre ab – ohne Parkplatzprobleme. Ich denke, mit diesem Tagesablauf war es uns halbwegs gelungen, der Hitze zu entkommen beziehungsweise es mit ihr aushalten zu können.
21. Juli 2024
In der 29. Kalenderwoche hatte sich die ZWAR-Initiative turnusmäßig getroffen, um die Gruppen der einzelnen Aktivitäten zu umreißen und die Leiter zu benennen. Ich selbst schätzte mich glücklich, eine Gruppe übernehmen zu dürfen, die sich mit Kirchen und der Geschichte der Stadt Köln befassen sollte. Zunächst wollte ich ein Auftakttreffen dieser Gruppe organisieren. Am Rande des ZWAR-Treffens wurde rege über die Sicherheit in der Stadt diskutiert. Eine Frau hielt sich um die Mittagszeit in der Nähe des Universitätsgebäudes auf, als ein jüngerer Mann gröhlte und randalieren wollte, die Passanten machten aber einen großen Bogen um ihn herum. Um seinen Aggressionstrieb abzureagieren, suchte er sich ein Fahrrad aus. Wie wild trat er auf ein Fahrrad ein, das den einen oder anderen Schaden davon getragen haben dürfte. In der 29. Kalenderwoche wurde die Dreier-WG erneut von der einen Betreuerin enttäuscht, die mit den Dreien in der Siegfähre essen gehen wollte. So wie in der Vorwoche, sagte sie kurzfristig ab. Alle hatten sich auf das abendliche Essen gefreut, anscheinend war der Betreuerin ein anderer Betreuungstermin dazwischen gekommen. Hätte dies nicht anders priorisiert werden können ? Nun hat die Dreier-WG so ungefähr ihre Hoffnung aufgegeben, dass es mit dem Essen in der Siegfähre noch etwas werden wird. In der Behindertenwerkstatt war ein Kamerateam des WDR gewesen und hatte anlässlich des 60-jährigen Jubiläums einen Film gedreht. Dieser Film, der in der aktuellen Stunde gezeigt wurde, berichtete über die Geschichte der Lebenshilfe im Rhein-Sieg-Kreis, gewährte Einblicke in die Troisdorfer Werkstatt, interviewt wurde live in der Aktuellen Stunde der Geschäftsführer Finanzen. Wenige bekannte Gesichter in der Werkstatt erkannten wir wieder. Der eine WG-Bewohner meinte sogar, er sei gefilmt worden, demzufolge käme er ebenso ins Fernsehen. Er war aber nicht auf der Bildfläche zu sehen.
22. Juli 2024
Auf Wiedersehen bis in einem Jahr, so verabschiedete sich der eine Freund vom Geburtstagsfrühstück, wozu ich nunmehr in dritten Jahr nacheinander in das Eiscafé in unserem Ort eingeladen hatte. Ihn hatte ich seit dem letzten Sommer nicht mehr gesehen, und er fragte nach dem bunten Abend nach, wo er mit uns im April des vorherigen Jahres gewesen war. Ansonsten würde es in einem Jahr, dass wir uns wiedersähen. Es war gemütlich gewesen beim Frühstück im Eiscafé wie im letzten Jahr und in dem Jahr davor, in diesem Jahr waren wir mit 15 Personen, gegen 15 Uhr gingen die letzten und ich bezahlte die Rechnung. Reich beschenkt wurde ich, darunter zwei Bücher, die ich mit Interesse lesen würde. Eines davon, Lieblingsplätze in Köln, passte zu dem Vorhaben, den anderen aus der ZWAR-Initiative Geschichtliches zu Köln zu erzählen. Wir hatten über dieses und jenes geredet, einen gewissen Teil der Gesprächsinhalte nahm die Gartenarbeit ein. In diesem Jahr sei vieles bei ihm nichts geworden, die Tomaten seien nicht reif, die Paprika total mickrig, keine Erbsen, viel zu kleine Möhren. Im Garten waren zwar viele lästige Diskussionen mit meiner Frau entfallen, weil sie mich machen ließ, das komplett anders geartete Wetter zeigte aber seine Spuren. Es hatte ausreichend geregnet, die Hitzewellen waren kurz gewesen, aber zu wenig Sonne. Tomaten und Paprika waren in unserem Garten ebenso unreif, Busch- und Stangebohnen kamen aber gut. Zucchini zeigten sich unbeeindruckt von der fehlenden Sonne, die Erdbeeren waren genau während des Zeitraums gereift, als wir vierzehn Tage in Urlaub waren. Gurken hatten wir momentan jede Menge. Was wir ernten konnten, war also höchst unterschiedlich. Das Unkraut war schlichtweg eine Katastrophe, es war ein viel zu großer Zeitfresser angesichts zwei Gärten, wo ich gegen das Unkraut kämpfen musste. Den Dreh würde ich vorläufig nicht finden, mich produktiveren Tätigkeiten widmen zu können als der Unkrautbeseitigung. Bei unserem Freund aus der Erkelenzer Gegend sei dies nicht anders, meinte er. Das Unkraut habe er viel zu lange wachsen lassen. Disteln, Brennesseln, Brombeeren & Co käme er ebenso nicht hinterher. Noch schlimmer würde es seinen Nachbarn ergehen, die im letzten Jahr das Nachbarhaus mit Grundstück gekauft hätten. Sie hätten es erst gar nicht geschafft, sich bis zum Zaun durch zu kämpfen. Unsere Freundin, die in Hennef einen Floristikladen hatte, machte schwerpunktmäßig Grabpflege. Eichen und Nussbäume, die sich gerne auf en Gräbern vermehrten, riss sie stets aus. Es konnte schnell passieren, dass sie die kleinen Pflänzlinge gar nicht mehr mit der Hand ausgerissen bekam, wenn die ersten Blätter größer geworden waren. Dann waren die Wurzeln bereits eine Hand tief in die Erde eingedrungen. Über die vier Stunden und etwas mehr hatten wir uns noch so viel zu erzählen, wobei unser Enkelkind gerne im Mittelpunkt stand. Er zeigte keine Angst, er beobachtete aufmerksam die anderen und protestierte nicht, wenn jemand anders ihn in den Arm nahm. Die Zeit war so schnell verflogen, dass ich es kaum bemerkt hatte.
23. Juli 2024
In Koblenz wunderte ich mich, dass ein Gedenkstein an das Geburtshaus des 2020 verstorbenen früheren französischen Staatspräsidenten Giscard d’Estaing erinnerte. Ein französischer Präsident in Deutschland geboren ? Nur noch ein Stein erinnerte daran, das Haus in der Nähe des Weindorfes unmittelbar am Rhein muss durch Kriegseinwirkungen, Verfall, Abriss oder sonstwie verschwunden sein. Giscard d’Estaing wurde hier 1926 geboren, sein Vater war seiner Zeit für den französischen Staat tätig gewesen. Mit dem Versailler Vertrag hatten französische und belgische Truppen nach Ende des 2. Weltkrieges ab 1919 das Rheinland bis zum linken Rheinufer besetzt. Die Situation verschärfte sich ab 1923, als Deutschland mit den Reparationszahlungen in Rückstand geriet. Dann wurde das Ruhrgebiet besetzt, um Sachleistungen im Form von Kohle zusätzlich zu den Geldzahlungen zu erhalten. Neben Köln, Mainz und Kehl gehörte Koblenz zu einem der sogenannten Brückenköpfe, die Verwaltungsfunktionen der Besatzung innehatten. Der Vater Giscard d’Estaings, Edmond d’Estaing, war zuständig für die Finanzen und von 1921 bis 1926 in Koblenz tätig. Bereits kurz nach der Geburt seines Sohnes, als dieser fünf Monate alt war, wurde der Vater Edmond d’Estaing ins Finanzministerium nach Paris versetzt. Nach den Kriegsjahren, als er sich der Resistance anschloss, war die Karriere seines Sohnes Giscard d’Estaing steil. Er studierte an der Elite-Hochschule ENA, arbeitete im Finanzministerium, wurde dort Staatsekretär, dann Finanzminister, schließlich französischer Staatspräsident. Dass Giscard d’Estaing in Koblenz geboren war, dürfte einer der Triebfedern gewesen sein, dass das deutsch-französische Verhältnis in der Ära von Helmut Schmidt ein gutes Stück voran gekommen war.
24. Juli 2024
Durch ein Gewirr von Umleitungen für Fußgänger schaffte ich es in Koblenz diesmal bis zur Kaiserin Augusta. Die Brücke über den Rhein wurde saniert, so dass der Durchgang am Rheinufer unter die Brücke gesperrt war. An die zehn Gehminuten dauerte es von dieser Stelle, wo das Weindorf angrenzte, bis zu den Kaiserin-Augusta-Anlagen. Kaiserin Augusta, die seit 1829 mit dem späteren ersten deutschen Kaisers Wilhelm I. verheiratet war, war eine schillernde Persönlichkeit, die ab dem Jahr 1850 im kurfürstlichen Schloss residierte. Ihrem Ehemann war die Aufgabe eines Militärgouverneurs übertragen worden, was sie an den Rhein verschlagen hatte. In der Ehe traten die Gegensätze zwischen der freiheitlich und offen denkenden Ehegattin und dem militaristisch und repressiv denkenden Ehegatten zutage, der ab 1858 preußischer Kpnig und ab 1871 erster deutscher Kaiser wurde. 1848 war ihr Ehemann einer der treibenden Figuren, welche die 1848er-Revolution in Berlin gewaltsam nieder knüppelte. Danach betrieb er eine reaktionäre Politik, die alle Bestrebungen nach Freiheit und Demokratie unterdrückte. Aus heutiger Sicht muss man sich wundern, dass die Ehe zwischen Augusta und Wilhelm überhaupt gehalten hatte, wahrscheinlich hielt die Loyalität zu ihrem Ehemann die beiden zusammen. In Koblenz gelang es ihr wenigstens, näher am Volk zu sein, die abgehobenen Sphären eines Hofstaats waren ihr fremd. Sie knüpfte Kontakte zu freiheitlich und der Aufklärung nahestehenden Menschen, so etwa zur britischen Königin Viktoria. Die Idee einer Demokratie nach britischem Vorbild faszinierte sie, die Idee war aber innerhalb der preußischen Machtstrukturen schlichtweg nicht umsetzbar. Ihre Tochter Elisabeth verheiratete sie mit dem Großherzog von Baden, einem ebenso liberal denkenden Monarchen. Ihr Sohn Friedrich III. wurde hingegen im Dreikaiserjahr 1888 der zweite deutsche Kaiser, in diesem Jahr verstarb er an Kehlkopfkrebs. Daraufhin wurde sein Sohn, Wilhelm II, zweiter deutscher Kaiser. Das Intermezzo in Koblenz war 1858 mit der Krönung ihres Mannes zum preußischen König geendet. Danach verlagerte sich der Hofstaat und das Hofleben wieder ins ferne Berlin. Kaiser Augusta starb im Jahr 1890 und ist in einem Mausoleum auf dem Friedhof von Berlin-Charlottenburg begraben.
25. Juli 2024
Das war also die weiße Linie. Ein fetter Strich auf der Straße, wie ein Hindernis stellte sich die weiße Farbe in den Weg, scheinbar unüberwindbar, Signale der Wahrnehmung sollte dieser Strich gemeinsam mit dem Stoppschild in das Gehirn katapultieren. Das Problem war: der gekreuzte Radweg und der Zebrastreifen lagen ein Stück weiter nach vorne, so dass, wenn ich denn anhielt, ich dies kurz vor dem quer verlaufenden, anderen Radweg tat. So auch an diesem Morgen, als ich ahnte, dass die Polizei auf der Kennedybrücke Fahrradfahrer kontrollieren würde. Nachdem ich angehalten hatte und schön geschaut hatte, dass der Radweg auf dem Weg zur Brücke frei war, gestikuliere ein Polizist mit seiner erhobenen rechten Hand, ich solle anhalten. Mit der Polizei hatte ich selten zu tun, meine Einstellung ist aber durchweg positiv. Es ist ein wichtiger und harter Job, der mitunter nicht ausreichend gewürdigt wird. Die Tagesarbeit dürfte aus ganz viel Kleinkram bestehen wie etwa Fahrradfahrer kontrollieren. Dass ich angehalten habe, sei richtig gewesen, ich habe dies aber an der falschen Stelle getan. Ein Stück zurück genau an der weißen Linie hätte ich anhalten sollen, dabei zeigte er auf die weiße Linie. Normalerweise koste dies zehn Euro, heute beließ er es bei diesem Hinweis. Ja, die Stelle war nicht ungefährlich, vor der Brücke knubbelte sich der Fahrradverkehr, und mitunter waren Fahrradfahrer in einem irren Tempo ohne Rücksicht auf andere Verkehrsteilnehmer unterwegs. Auch ich hatte mich an die Verkehrsregeln zu halten, was zwar lästig war, aber der eigenen Sicherheit diente.
26. Juli 2024
Im Frühjahr sind wir umgezogen von den Großraumbüros im zweiten Stock in andere Großraumbüros in einem anderen Gebäudeteil im vierten Stock. Meist benutze ich zwar den Aufzug, aber in denjenigen Fällen, wenn ich durch das Treppenhaus gegangen bin, konnte ich über die Dachflächen hinweg schauen. Mir war so nicht bewusst gewesen, dass die Dächer unserer Büroräume begrünt sind. Das sieht höchst harmonisch aus: die strenge weiße Fassade, die schmalen Fensterreihen, die verfärbte Grasschicht mit weißen Farbtupfern von Schafgarbe, im Hintergrund die Buckel des Siebengebirges. Die Kombination von Bürobauten und Natur klingt interessant. Versiegelte Flächen kann man so reduzieren, in Nischenplätzen kann sich die Natur wieder ausbreiten. Es stellen sich Fragen, ob das Dach irgendwann feucht und undicht werden könnte wegen all des Wassers und der Feuchtigkeit und der Bewachsung, doch die Gebäudeexperten verweisen auf technische Lösungen. Solche Dächer müssen solider, also fester mit bestimmten Schutzschichten gebaut werden, als gegenläufigen Effekt bilde man die Natur nach, die sich an für sich im Gleichgewicht befindet. Bewachsung erziele dieselben Effekte wie eine Wärmedämmung, Kühlung im Sommer und Dämmung im Winter. Eingesparte Heizkosten und niedrigerer Stromverbrauch für Klimaanlagen sollen den Mehraufwand für die Dachkonstruktion ausgleichen. Also eine feine Sache, aber hat diese nicht doch einen Haken ? Der Gesetzgeber ist sogar einen Schritt weiter gegangen, er hat bei Neubauten dies sogar zur Pflicht gemacht. Neue Flachdächer müssen begrünt werden, aber welche ? Alle ? Ohne den bürokratischen Wirrwarr zu durchschauen, genieße ich den Anblick dieser Dachbegrünung mit dieser harmonischen Einheit einer Wiese.
27. Juli 2024
Unter dem Kürzel ZWAR haben sich neue, interessante Horizonte aufgetan. Ich darf mich glücklich schätzen, die Leitung der Gruppe von Interessenten für das historische Köln übernommen zu haben. Dazu ist mir eine Liste mit E-Mail-Adressen und Handynummern ausgehändigt worden. Auf dieser Grundlage habe ich eine Whatsapp-Gruppe eingerichtet, ein erstes Auftakttreffen in diesem Restaurant im Nachbarort habe ich organisiert. Acht Personen waren bei diesem Treffen anwesend. Ganz viel haben wir geredet und die Gastronomie des Restaurants getestet. So nebenher haben wir die Details unserer Erkundungen der Stadt Köln erörtert und Termine festgelegt. Am 8.9. wollte ich mich selber als Führer betätigen und einiges über die Altstadt erzählen, was ich bei einem Rundgang von der Domplatte über das Rathaus, den Alten Markt, den Heumarkt und die Malzmühle machen wollte. Dazu müsste ich mir noch einige Details anlesen und mir an Ort und Stelle ansehen. Beim zweiten Termin am 13.10. wollten wir an einer Führung durch die romanische Kirche St. Maria im Kapitol teilnehmen, im November wollten wir die Ramses-Ausstellung im Odysseum besichtigen. Ein genaues Datum steht noch nicht fest. Ganz viele Aktivitäten also, auf die ich mich riesig freue.
28. Juli 2024
In der 30. Kalenderwoche hat unsere Tochter einen Ablehnungsbescheid über das Elterngeld erhalten, was uns sehr verwundert hatte. Insgesamt dreimal war sie aufgefordert worden, fehlende Unterlagen beizubringen. Die letzte, fehlende Unterlage, das war eine Bescheinigung der Krankenkasse über die Dauer und die Höhe des Mutterschaftsgeldes, hatte sie Mitte Juni, während unseres Ostsee-Urlaubs, von der Krankenkasse zugeschickt bekommen. Danach hatte sie die Unterlagen in zwei Briefen: erster Brief mit einer Erklärung zum Splitting-Verfahren, zweiter Brief mit der Bestätigung der GFO Kliniken zur Elternzeit sowie der Bescheinigung der Krankenkasse zum Mutterschaftsgeld – an den Rhein-Sieg-Kreis gesandt. Der Versendung geschah als Prio-Brief, so dass wir mit der Sendungsverfolgung die Zustellung im Inernet nachverfolgen konnten. Mithin waren die beiden Postsendungen zugestellt worden und kursierten irgendwo im Nirwana des Rhein-Sieg-Kreises. Das war höchst ärgerlich, unsere Tochter muss nun Widerspruch einlegen. In der 30. Kalenderwoche haben wir am Arbeitsplatz einen neuen Chef vorgestellt bekommen. Dies ist insofern etwas besonderes, weil wir ein Jahr lang eine Übergangs-Teamleiterin gehabt hatten. Die Stellenbesetzung war gekoppelt an eine gleichzeitige Neubesetzung der Abteilungsleiterposition, die sich in die Länge gezogen hatte. Formell muss ein Ausschreibungsverfahren durchlaufen werden, ebenso ist der Betriebsrat zu beteiligen. Die vorübergehende Teamleiterin hat ihren Job bestens erledigt, nun freuen wir uns auf die Zusammenarbeit mit dem neuen Chef. In der Vorwoche hatte ich ja die Hoffnung aufgegeben, dass die eine Betreuerin mit der Dreier-WG in der Siegfähre essen gehen würde, nachdem sie zweimal kurzfristig abgesagt hatte. Nun hat es also doch geklappt, und die WG-Bewohner waren dementsprechend begeistert.
29. Juli 2024
Weil wir uns alleine im Zyklus von Beerdigungen trafen, hatte ich beschlossen, diejenigen Vettern und Cousinen, mit denen ich gemeinsam beim Begräbniskaffee der verstorbenen Mutter getrauert hatte, nachträglich zu meinem Geburtstag einzuladen. So frühstückten wir gestern im Café Jedermann in Erkelenz, das war dasjenige Café, wohin uns ein Freund zu seinem 60. Geburtstag im April eingeladen hatte. Wir erzählten viel über die Familiengeschichte, dazu gehörten die verstorbenen Großeltern von der Seite meines Vaters. Er hatte vier Geschwister, davon lebte noch eine Schwester in Bayern (88 Jahre) und ein Bruder in Wegberg (86 Jahre). Der verstorbene Großvater, Jahrgang 1901, wurde fast an die 90 Jahre alt, und ich hatte ihn stets in Erinnerung, dass er in seiner Fernsehecke saß und gerne Zigarren rauchte. Er kam aus dem Nachbarort Kipshoven, er war Einzelkind, im Alter von acht Jahren zogen seine Eltern nach Beeck, wo sie Landwirtschaft betrieben. Er übernahm den Hof seiner Eltern, und da er Landwirt war, wurde er erst spät zum Zweiten Weltkrieg eingezogen, das war im Jahr 1944. Er musste an die Westfront nach Frankreich und geriet in Kriegsgefangenschaft. Gegenüber seinen Enkelkindern, mit denen er bis zu seinem Tod im selben Haus gewohnt hatte, redete er nie über den Krieg. Das war eine mentale Barriere mit schrecklichen Erlebnissen, die ihn schwer getroffen haben musste. Ein weiteres einschneidendes Ereignis ereilte ihn während seiner Kriegsgefangenschaft. Erst 1947 kehrte er aus der französischen Kriegsgefangenschaft zurück, und kurz zuvor zeugte seine Frau aus einem Techtelmechtel mit einem Knecht eine außereheliche Tochter. Diese außereheliche Tochter, die nie bei Familienfeiern anwesend war, zwei- bis vielleicht dreimal hatte ich sie vielleicht in meinem Leben gesehen, wurde streng geheim gehalten, dass es sich bei ihr um eine Stieftochter handelte. Diese außereheliche Tochter kam übrigens in den 2010er-Jahren bei einem Brand ihres Wohnhauses an der Mosel ums Leben. Seine Frau, meine Oma, starb früh im Jahr 1962 an einem Zuckerschock. Und dies genau an Weihnachten, als ich als 3-jähriger Junge Weihnachtsgeschenke der Oma entgegen nehmen wollte, da war sie bereits tot. Die beiden hatten drei Söhne, eine Tochter und die außereheliche Tochter. Einer seiner Söhne übernahm seinen Hof, gab aber später die Landwirtschaft auf, er machte eine Schlosserlehre und verkaufte Teile seines Hofes. Kurze Zeit hatte er überlegt, dass sogar mein Vater den Hof übernehmen sollte, er hatte allerdings ebenso eine Schlosserlehre gemacht – allerdings etwa ein Jahrzehnt vorher und in einem anderen Betrieb wie sein Bruder. Sein Sohn, der noch lebte, hatte früh bereits im Alter von 18 Jahren ein Moped besessen. Seine Tochter hatte indes beim Tanzen einen netten jungen Mann kennen gelernt, der aus der Bergheimer Gegend kam. Wie sollte sie denn in die Umgebung Bergheim kommen ? Ihr Bruder fuhr sie gerne mit dem Moped dorthin, und eine Zeit später heirateten die beiden. Noch eine Zeit später kam der Braunkohletagebau, so dass der Ort umgesiedelt werden musste. Anstelle innerhalb des Rheinlandes umzusiedeln entschieden sich die beiden, nach Bayern auszuwandern und dort Landwirtschaft zu betreiben. Dort, in Niederbayern, ein Stück hinter Landshut, wurde ihre Familie heimisch. Der Sohn mit dem Moped, 86 Jahre alt, der heute noch lebte, hatte im jungen Alter Interesse an Autos gezeigt, er konnte diese auseinander- und wieder zusammenbauen. So fand er eine Stelle beim Fuhrpark der Stadt. In seiner Lehre standen allerdings auf seinem Zeugnis hohe Abwesenheiten. Mit seinen 86 Jahren war er noch halbwegs in der Lage zu kochen. Beim Gehen benötigte er einen Rollator, schwer fiel ihm das freihändige Stehen, so dass er sich irgendwo abstützen musste. Einmal wöchentlich kauften Sohn oder Schwiegertochter ein, dabei schauten sie auch in seine Schränke hinein, ob die Einkaufsliste auch vollständig war. Der Vetter erzählte, dass lange Zeit die Stiefoma mit im Haus gewohnt hatte. Dasselbe war so bei der anderen Cousine, dass neben dem Opa im Jahr 1970 die Oma seitens ihrer Mutter einzog. Ein Jahr lang musste sie sich ein Zimmer mit der Oma teilen, was sie als schrecklich empfand. Daraufhin hatte ihr Opa das Dachgeschoss ausgebaut, so dass sie wieder ihr eigenes Zimmer hatte. Ausgehend von der Familiengeschichte, verbreitete der Nationalsozialismus immer noch Furcht und Schrecken. Die Mutter der einen Cousine hatte als Kind erlebt, dass die Gestapo im Nachbarhaus eine komplette jüdische Familie abgeholt habe, die sie danach nie mehr wieder gesehen habe. Ihren eigenen Kindern habe sie versucht zu vermitteln, was für ein kostbares Gut der Frieden sei. Ihr Mann fügte dem hinzu, dass sich nach 1933 die Sprache massiv gewandelt hatte. Aus Dorfplätzen wurden Kampfplätze, es wurden nur noch Siege errungen und keine Niederlagen. Weil sein Vater einmal Schützenkönig gewesen war und zweimal Minister, war er im Gefolge beim Schützenzug mitgezogen. Kirmes hasste er den Stechschritt, weil er diesen mit dem Nationalsozialismus verband. Daraufhin relativierte eine Cousine die Schützenbruderschaften, dass ihr Ursprung sehr weit zurück lag, nämlich bis ins Mittelalter. Sie sollten Dörfern vor Banden und Wegelagerern schützen, die Städte wurden durch Mauern und Stadtbefestigungen geschützt, in Dörfern gab es keinen solchen Schutz. In niederländischen Orten – ein Vetter kam aus dem Selfkant – waren solche Schützenumzüge sogar noch viel militärischer, so waren Nachbildungen von Kanonen in den Schützenumzügen jenseits der Grenze dabei. Die Kultur verband, die Schützenumzüge waren dort noch einiges größer als bei uns. Eine negative Entwicklung stellte die Cousine in den Niederlanden fest: man redete wieder über den Nationalsozialismus und das böse Bild des Deutschen. Gefühlt waren weniger Niederländer in der Lage, Deutsch zu sprechen, als noch vor einigen Jahren. Man musste sich nun auf Englisch verständigen. All unseren Vettern und Cousinen war gemeinsam, dass in unserer Kindheit Urlaub als etwas unnützes betrachtet wurde. Unsere Eltern hatten hart für das Eigenheim gearbeitet und geschuftet, und es fehlte nicht nur das Geld, weil die – eigentlich richtige - Mentalität vorherrschte, Geld erst dann auszugeben, wenn man es besaß. Landschaften anzuschauen, einfach nur zu wandern oder durch die Berge zu fahren, galt schlichtweg als unproduktiv, es hatte keinen Sinn und Zweck, an fremden Orten usste man nichts mehr mit sich selbst anzufangen. Ein Vetter war froh, im Alter von 15 Jahren mit den Pfadfindern wegzufahren und mal von zu Hause fort zu sein. Wir redeten aber auch über Radtouren, die alle Anwesenden an den Rhein und ins Mittelrheintal geführt hatten nach Boppard, Oberwesel, Bacharach. Genauso wie in unserer Stadt, war in Wegberg ein neuer Bürgermeister gewählt worden, der parteilos war. Eine Parallele zu unserer Stadt bildeten die Einstellungen der Einwohner, dass sie Unannehmlichkeiten vor ihrer Haustüre verhindern wollten. In Wegberg war es eine Biogasanlage. Alle wollen saubere Energie, aber wenn diese vor der eigenen Haustüre gebaut werden soll, dass bitte lieber irgendwo anders. Über Energie diskutierten wie etwas länger. Die Länder seien so vernetzt, dass etwa Strom aus Norwegen nach Deutschland geleitet würde, da dieses Land sich mit Strom selbst versorgen könne. Windenergie und Solarstrom seien hingegen so unsicher, während die Kernkraftwerke vollständig abgeschaltet worden waren, dass Deutschland zeitweilig vor einem Blackout stehen könnte. Wie nahe ein Blackout sein könnte, das dürfte streng geheim sein, Informationen dazu dürfte eine Bundesnetzagentur nicht herausrücken. All diese Windkraftanlagen und Solarpaneele hatten jedenfalls ihren Preis: Strom war in Deutschland so teuer wie kaum irgendwo anders. Online-Tarife seien ein probates Mittel dagegen, das meinte der Cousin, er habe zuletzt einen Online-Tarif von unter 30 Cent abschließen können. Weitere Schnipsel der Unterhaltung reihte sich ungeordnet aneinander: wie bei uns, lebten immer mehr Menschen von Amazon. Die Geschäfte in den Fußgängerzonen starben aus, während der Lieferservice bis an die Haustüren kam. Wir redeten über den „Broken-Windows-Effekt“ in Dörfern. Ältere Häuser in Ortskernen wurden an Osteuropäer, Afrikaner oder Vorderasiaten vermietet, die keine Standards der Pflege und Erhaltung wie wir Deutsche kannten, so dass das Erscheinungsbild der Häuser unansehnlicher wurde. Dies zog weitere Bevölkerungsgruppen an, die sich nicht um Instandhaltung und Pflege kümmerten. So breiteten sich diese unansehnlichen Ecken immer weiter aus. Ein Vetter, der nicht mit dabei war, war schwer herzkrank. Mir war bekannt, dass er krank war, aber was genau, das wusste ich nicht. Er war einige Jahre jünger als ich und litt an einer Herzinsuffizienz der Stufe 4. Die Ärzte sagten, eigentlich benötige er eine Herztransplantation. Die Stufe 4 bedeutete, dass er bereits im Ruhezustand an Erschöpfungssymptomen litt. Eine Cousine erzählte von ihren Mitarbeiterinnen in der Digital-Druckerei, wo sie arbeitete. Als Abteilungsleiterin leitete sie lauter Ausländerinnen aus China, Kroatien, Russland, Moldawien und so weiter. Wenn sie ihren Jahresurlaub nahmen, terminierten sie dies so genau, dass sie eine Woche vor ihrem Urlaub krank wurden. Sie nahm dies geduldig hin, und meist funktionierte dennoch die Tagesarbeit in ihrer Druckerei. Als es gegen 14 Uhr war, passten wir uns dem Rhythmus unseres Enkelkindes an, der samt Tochter zum Frühstück mitgefahren war. Gegen 10 Uhr hatten meine Frau ihm ein Obstgläschen gefüttert, danach hatte er die Runde von Vettern und Cousinen aufgemischt. So gegen viertel vor zwei hatte unsere Tochter ihn gestillt, dabei war er eingeschlafen. Es wurde Zeit, dass wir mit dem Auto zurück nach Hause fuhren, damit er im Auto weiter schlafen konnte.
30. Juli 2024
Mit dem Schwager bin ich zum Konzert in den Biergarten des Parkrestaurants Rheinaue gefahren, über die Jahre hinweg war es insgesamt das vierte Mal. Diesmal hatten wir eine Coverband ausgewählt, die die Stilrichtung von Soul, Funk und Pop spielte. Die Vorliebe für Soul und Funk hatte ich relativ spät entdeckt, in meiner Jugend hörte ich wenige Musikgruppen dieser Stilrichtung gerne, so die Temptations oder die Isley Brothers, neben Blues kam die Wendung zu Soul und Funk vielleicht vor zehn Jahren. An einem warmen Sommerabend beflügelte das Gefühl, in einem Biergarten zu sitzen, ein kühles Getränk zu trinken. Das Publikum war bester Stimmung und hörte dabei Live-Musik. Soul Seven hieß die Musikgruppe, die auf der Bühne stand. Mit Handtüchern wischten sie sich den Schweiß ab, der von ihren Köpfen herunterlief, und die Sängerin beschrieb die Musik, die sie zu ihrem Besten gaben, als genauso heiß. Sie käme aus Köln, stellte sich die Sängerin vor, die Musikgruppe sei aber gemischt, aus dem Ruhrpott und, etwas scherzend, aus dem Rhein-Sieg-Kreis. Im Gegensatz zu der Stilrichtung des Soul waren alle Mitglieder der Gruppe weiß – vor rund zehn Jahren hatte mich die Begeisterung für die Stimmgewalt von schwarzen Sängern und Sängerinnen erfasst. Die beiden Sängerinnen und der eine Sänger taten es ihren schwarzen Vorbildern gleich. Manche Stücke waren unbekannt, das Stück „Superstition“, dem eine Pause folgte, war beinahe so gut wie das Original von Stevie Wonder. Der Rhythmus trieb, viele Stücke hatten das treibende Element von Gitarrenakkorden, die Gitarrensoli waren sauber heraus gearbeitet. Das erste Stück nach der Pause – Talk to me im Original von Lenny Kravitz – zog sich wie das Original in die Länge, dabei glänzte erstmals der Keyboarder mit seinen unterschwelligen Tönen, die von der an- und abschwellenden Stimme überlagert wurde. Das war der absolute Hörgenuss von Live-Musik, welche die Originale veredelte. Als die Stücke „September“, „Let’s groove tonight“ und „Boogie Wonderland“ von Earth, Wind and Fire folgten, geriet das tanzende Publikum in Ekstase. Die Schar der Tänzer vergrößerte sich vor der Bühne, und auch zwischen den Biertischen erhoben sich Männer und Frauen, sie umfassten sich und tanzten spontan. Viele Männer und Frauen waren in meinem Alter, so um die 60 oder älter, die Jüngeren waren in der Minderzahl. Die Musiker konnten Medley, dieser bestand, etwas überraschend, aus einer Sequenz mehrerer Disco-Songs, darunter „Le Freak“, im Original von Chic oder „We are Family“, im Original von den Sister Sledge. „Gleich gibt es etwas auf die Ohren“, mit diesem Spruch hatte die Band die Disco-Musik angekündigt. Dem folgte ein Medley von Stücken von Diana Ross, dann kam das Stück „I’m every Woman“, im Original von Chaka Khan, das durch die hohe Stimmlage der Sängerin beeindruckte. Der absolute Höhepunkt des Abends war das Stück „Finally“, das mir im Original überhaupt nichts zu sagen vermochte, wenn ich es hörte. Am heutigen Abend wurde es zu einer Zehn-Minuten-Version ausgedehnt mit einer Wahnsinns-Einlage des Keyboarders. Seine Töne wogten hin und her, wurden leiser und lauter, die Klänge bauten ein irrsinniges Spannungsfeld auf, bis der Refrain „Finally“ wieder einsetzte. Eine ähnliche Aufwertung, wenngleich das Stück kürzer war, erfuhr das Stück „Get Lucky“, dem ich im Original nie Aufmerksamkeit geschenkt hatte, da es einfach nicht mein Geschmack war. Hier peitschte der Sound, der Rhythmus trieb, man klatschte in die Hände und sang mit. Live war grundlegend anders, die Musik verband das Publikum an diesem wärmenden Sommerabend, aus einer eigentlich flachen Melodie wurde das letzte heraus gekitzelt. Wer die Band „Soul Seven“ wiedersehen wollte, der könne am 31. August zum Stadtfest nach Köln-Sülz fahren. Im Internet sei die Band präsent, dort könne man all ihre Termine mit ihren Auftritten einsehen. Um nicht zu spät zu Hause zurück zu sein, verließen wir eine Viertelstunde vor Schluss das Geschehen. I can’t go for that, im Original von Hall & Oates, diese Schlussakkorde begleiteten unseren Gang vom Biergarten zum Parkplatz zurück. Mit dem leiser werdenden Rhythmus erkannte ich die letzten Stücke nicht mehr, ein heißer Abend mit heißen Soul-Rhythmen ging damit zu Ende.
31. Juli 2024
Verzällcher, unter diesem Begriff im hiesigen Dialekt könnte man das Bestreben des Menschen ausdrücken, miteinander zu kommunizieren, zu reden und sich auszutauschen. Im persönlichen Kontakt, wohlgemerkt, und nicht per Chat, Whatsapp, übers Internet, telefonisch oder sonstwie ohne persönliche Begegnung. Bei Verzällchern sitzt oder steht man zusammen, und da der Begriff aus der Mundart hervor gegangen ist, dürften mehr die kleinen Themen im direkten persönlichen Umfeld bequasselt werden und weniger große weltpolitische Themen oder bewegende gesellschaftliche Themen. Bisweilen sind die Typen, die zusammensitzen und sich mit Verzällchern die Zeit vertreiben, eher den älteren Semestern zuzuordnen. In unserem Ort, an einer eher ungastlichen Stelle vor einer Bäckerei mit dem tristen Ausblick auf einen Parkplatz, habe ich bereits morgens um viertel nach sechs, wenn ich die Brötchen geholt habe, die Typen dort sitzen sehen. Der Ort weist ab, den ankommenden und verlassenden Autos zuzusehen. Manche Kaffeetrinker unter den aufgespannten Marktschirmen studieren die Schlagzeilen in der Bild-Zeitung, andere hocken einfach nur schweigend nebeneinander. Heute, in einer anderen Stadt, nämlich in Brühl, zu einer späteren Uhrzeit, ab 9 Uhr morgens, ein ähnliches Bild mit dem wesentlichen Unterschied, dass der Marktplatz in Brühl wesentlich einladender ist. Die Zusammensetzung der Gruppe ähnelte sich hingegen ziemlich genau. Alles ältere Herrschaften, bestimmt im Rentenalter. So wie Verzällcher waren, erzählte man sich diese im Dialekt. Namen und Personen konnte man heraus hören, mit denen ich hinten und vorne nichts anzufangen wusste. Ihr Sitzfleisch hielt sich an den Stühlen fest, mehrere Tassen Kaffee wurden gebechert, darunter wirkte ein älterer Herr absolut ungepflegt. Seine Gestalt war rund und dick, und seine weißen Haare, die einen Friseurbesuch nötig gehabt hätten, standen ihm zu Berge. Sein Vollbart war wie Unkraut in sein Gesicht gewachsen, seine Stimme war hingegen laut und eloquent. Irgendwann, vielleicht nach anderthalb Stunden, als sich die Runde trennte, verschwand er nicht. Beim Verlassen seines Platzes wurde sein Gang schwierig, sein rechtes Bein folgte dem Schritt nicht, offensichtlich hatte er ein Hüftleiden. Langsam und schwerfällig war seine Gehbewegungen, dich irgendwie schaffte er es zum gegenüberliegenden Eiscafé. Dort war es keine größere Gruppe, die sich versammelt hatte, sondern zwei bekannte Gesichter, die zum nächsten Verzällcher bereit saßen. Die Dreierrunde überdauerte meinen Aufenthalt auf dem Brühler Marktplatz. In der Ferne hatte ich Donnerstöße gehört, und ein Gewitter sollte meinen Tagesablauf nicht zu sehr durcheinander bringen. So verließ ich den Brühler Marktplatz mit der Erkenntnis, dass zwischenmenschliche Kommunikation wichtig ist. Vorzugsweise in einer persönlichen Form und weniger über das Netz, das Internet oder solche Kanäle.
Comments