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Tagebuch Juni 2021

1. Juni 2021



Wie sehr die Behörden durchgreifen, wenn es um Infektionsschutz geht. Vor etwas mehr als einer Woche hatten wir die Nachricht erhalten, dass es in der Behindertenwerkstatt einen positiven Covid19-Befund gegeben habe und dass unser Schwager eine enge Kontaktperson sei. Daraufhin müsse er sich in Quarantäne begeben. Mündlich erläuterte uns die Mitarbeiterin der Behindertenwerkstatt, was dies bedeutete, schriftlich bekamen wir die genauen Vorgaben zwei Tage später von der Stadtverwaltung mitgeteilt. Mit denen war nicht zu spaßen, im Gegenteil, war es eine sehr strenge Aktion, die meine Frau extrem einschränkte. Mein Schwager durfte sein Zimmer nicht verlassen, insbesondere durfte er keinen Kontakt zu den beiden anderen WG-Bewohnern haben. Das hieß, er durfte sich nicht in die Küche begeben. Ebenso war die Nutzung der beiden Badezimmer so zu regeln, dass er alleine eines der beiden Badezimmer nutzte. Es war eine Kontaktperson festzulegen, das war meine Frau, was bedeutete, dass ich sein Zimmer nicht betreten durfte. Exakt vierzehn Tage dauerte die Quarantäne. In diesen vierzehn Tagen durfte er zweimal sein Haus verlassen, das war zu einem PCR-Test beim Hausarzt und zu einem zweiten PCR-Test in der Behindertenwerkstatt. Der Mehraufwand war für meine Frau erheblich. Morgens kam das Rote Kreuz – übrigens in einer Schutzausrüstung von Kopf bis Fuß -, um dem Schwager Augentropfen zu verabreichen und Stützstrümpfe wegen Wasser in den Beinen anzuziehen. Da mein Schwager nicht durch das Treppenhaus laufen durfte, um dem Roten Kreuz die Haustüre zu öffnen, musste meine Frau dies erledigen. Gleichzeitig bereitete meine Frau ihrem Bruder das Frühstück, sie schmierte die Brote und schüttete Kaffee auf, damit ihr Bruder die Küche nicht betrat. Dieselbe strikte Vorgehensweise betraf die anderen Mahlzeiten. Das Mittagessen durfte meine Frau zubereiten und in das Zimmer des Schwagers bringen, ebenso das Abendessen. Die beiden Mitarbeiterinnen, die stundenweise im Haushalt halfen, wurden abbestellt. Hierdurch unterblieben die Wocheneinkäufe, ebenso wurden bestimmte Gebäudeteile nicht geputzt. Da sich mein Schwager ohnehin häufig in seinem Zimmer aufhielt und da die ganzen Corona-Maßnahme in den Monaten davon alle stark eingeengt hatten, hatte ich selbst den Eindruck, dass mein Schwager halbwegs damit leben konnte. Erlösend war, dass die beiden PCR-Tests negativ waren, so Entwarnung gegeben werden konnte. Einen positiven Aspekt hatte all die Isolation dann doch: seine abendlichen Flaschen Weizenbier brauchte er sich bis uns nicht mehr zu holen, sondern er bekam sie von seiner Schwester ins Haus gebracht. Gleichwohl waren wir alle heilfroh, wenn die Quarantäne nach vierzehn Tagen beendet sein sollte.

2. Juni 2021


Der Ansturm war immens, die Warteschlange staute sich bis zur Apotheke. Mit solch einem Menschenauflauf, dass beim Hausarzt geimpft wurde, hatte ich nicht gerechnet. Unter all den Arztterminen, die ich in dieser Woche vereinbart hatte, sollte dies der wichtigste sein. Ein Nachfassen meiner Frau, als sie einen Termin beim Hausarzt hatte, hatte diesen Covid19-Impftermin zustande gebracht. Mittwochs Nachmittags, wenn die Praxis normalerweise geschlossen war, impften die beiden Hausärzte. Eigentlich sollte ich um 15.55 Uhr an der Reihe sein, doch die lange Warteschlange warf den Zeitplan über den Haufen. Stück für Stück, Impfling für Impfling, arbeitete sich die Warteschlange ab, hinein in die Arztpraxis. Den Aufklärungsbogen gab ich bei der Sprechstundenhilfe ab, einen Impfausweis forderte ich ab, weil der vorhandene im Chaos zu Hause untergegangen war. Da nur eine Impfung nötig war, hatte ich den Impfstoff von Johnson & Johnson ausgewählt. Im Wartezimmer tummelte sich alles. Es waren bestimmt an die dreißig Menschen, die der Impfung entgegen warteten, so dass viele stehen mussten. Der eigentlich spannende Moment der Impfung lief vollkommen unspektakulär ab. Der Hausarzt klärte mich in seinem Sprechzimmer auf, dass es einige Tage danach zu Schüttelfrost, Fieber, Kopfschmerz, Schwindel, Muskelschmerz oder Müdigkeit kommen könne. Das seien Einzelfälle, das sei normal, ich bräuchte mich nicht zu sorgen. Da ich den Impfstoff von Johnson & Johnson gewählt hätte, der nur eine Impfung erforderte, dauerte es eine Zeitspanne von 28 Tagen, bis der Impfstoff seine volle Wirkung entfalte. Ob die Wirkung dann vergleichbar sei – etwa zum Impfstoff von Biontech -, das bejahte mein Hausarzt. Er befragte mich, mit welchem Arm ich schreiben würde, das war der rechte. Den linken Ärmel des T-Shirts zog er hoch und setzte die entscheidende Spritze. Der Einstich dauerte lange Momente, tat entsetzlich weh und der Schmerz vervielfachte sich, nachdem er die Spritze aus der Einstichstelle heraus gezogen hatte. Nachdem die Prozedur beendet war, wünschte er mir alles Gute und ich bedankte mich bei ihm. Ich bedankte mich für die Segnungen der Medizin, die so viele Seuchen, Krankheiten und Übel in der Geschichte der Menschheit besiegt hatte. 15 Minuten durfte ich abschließen im Wartezimmer ausharren, dann ging es zurück nach Hause.

3. Juni 2021


Es war ein Tag, der eine vollkommen überraschende Wendung in die LVR-Klinik nahm. Noch am Vortag hatte ich mir ausgemalt, ich könne mit den gelockerten Corona-Regeln mit unserer Tochter ein Eiscafé besuchen. Sie war aber anderweitig verabredet, was ich nicht schlimm fand. Anstatt dessen suchte ich das Café Alexandra im Nachbarort auf, wo ich gleichfalls die gelockerten Corona-Regeln ausprobieren wollte. Nach innen ließ man mich nicht hinein, das lernte ich, weil meine Impfung vierzehn Tage alt sein musste. Darüber hatte mich meine Frau bereits aufgeklärt, ich hatte ihr aber nicht geglaubt. Also nahm ich im Außenbereich des Cafés Platz, was ich nicht weiter schlimm fand. Ich schlürfte meinen Kaffee herunter, schaute hier, schaute dort, ich schrieb auf meinem Laptop, und das einzige freie Blickfeld auf die Straße war keine Augenweide. Der Ablauf des Tages hätte romantischer sein können, schön wäre eine gemeinsame Aktivität mit meiner Frau gewesen, und dennoch stimmte mich der Ablauf zufrieden. Das sollte sich einige Stunden später ändern. Unsere Tochter war zwischenzeitlich nach Hause gekommen, dann wieder weg, bis auf meinem Handy eine SMS der Mutter ihrer besten Freundin einging, dessen Inhalt beunruhigte. Später sammelte meine Frau unsere Tochter dort ein, und wir kamen nicht umhin, in die LVR-Klinik am Kaiser-Karl-Ring zu fahren. Wir hoffen das beste, dass sie sich dort wieder berappeln wird.

4. Juni 2021


So ziemlich genau ein Jahr liegt nun der Infarkt zurück, und gleich mehrere Haltepunkte begleiten mich, um den Zustand des Herzens zu reflektieren. Diese Haltpunkte im Form von Arztterminen habe ich in dieser Woche wahrgenommen, einer beim Hausarzt und ein anderer beim Kardiologen. Die Essenz der beiden Termine: es wird regelmäßig gemessen, kontrolliert und besprochen. Die Ergebnisse: das Herz schlägt regelmäßig und ist in einem guten Zustand, beim Kardiologen habe ich eine gewisse Vision ausgespeichert, mehr zu Fuß und weniger mit dem Rennrad unterwegs zu sein. Neue Perspektiven tun sich zu Fuß auf, Ecken und Winkel sehen zu können, die bei meinen Rennradtouren mehr in die Weite gegangen sind und auf anspruchsvolle Anstiege, die mich mit meiner Kondition heraus gefordert haben. In den Messwerten hat sich nieder geschlagen, dass ich bestimmte Ernährungsgewohnheiten aus denjenigen Zeiten vor dem Herzinfarkt wieder angenommen habe. Ein, zwei, drei Tüten Chips genehmige ich mir gerne abends bei einem leckeren Glas Wein. Auf der Sternstraße habe ich in der Fußgängerzone eine Frittenbude entdeckt, die die Fritten so wie in Belgien macht. In der Mittagspause esse ich dort schon mal eine Portion Fritten. Zwischendurch etwas Süßes naschen anstelle Obst, das hat sich genauso geändert. Prompt sind die Cholesterin-Werte einiges schlechter geworden. Das Gewicht hat zugenommen, der Blutdruck sei grenzwertig, das meinte der Kardiologe. Ich solle zwei, drei Kilo abnehmen, das meinte er ebenso, dann würde sich der Blutdruck wieder regulieren. Das war ein gewisser Dämpfer, dass ich auf bestimmte Leckereien wieder verzichten sollte oder auf wenige Gelegenheiten beschränken sollte. Das Thema Ernährung, worüber in der Reha viel geredet worden war, rückte wieder in den Vordergrund. Ich musste wieder ein Stück zurück, um das Leben nach dem Infarkt neu beginnen zu können.

5. Juni 2021


Schularchitektur – eine oftmals leblose, funktionale, glatte Architektur, die auf Kosten getrimmt sein musste und oftmals in einem plumpen Stil daher kommt. Möglichst viele Klassenräume müssen hinein passen, Maße und Rauminhalte sind wie im Mathematikunterricht zusammen gestaucht, Schulen müssen nicht unbedingt schön sein. Lauscht man den Erzählungen von ehemaligen Schülern, was sie alles schönes in ihrer Schulzeit erlebt haben, müssen Schularchitektur und ein Wohlfühlfaktor nicht unbedingt etwas miteinander zu tun haben. So manche Schule versucht, dem abweisenden Aussehen mit kleineren Akzenten zu entkommen. So wie etwa mit dieser Sonnenuhr an einer Grundschule in Auerberg. Sie lockert den trüben Eindruck der blassweißen Fassade auf. Über den Sonnenuhr ragen graue Gestalten in die verschieferte Dachspitze hinein. Im unteren Bereich der trüben Hauswand werden drei kleine Fenster in all ihrer Enge von grauen Fensterrahmen eingerahmt. Auf dieser übermächtigen Wand ist die Sonnenuhr ein wahrer Blickfang. Der Zeiger, der aus den sechs grauen Gestalten heraus sticht, vermittelt ein Gefühl von Zeit. Ein Schatten des Zeigers ist bei dem heutigen bewölkten Himmel nicht zu sehen, aber der Eindruck wird gleichwohl vermittelt, dass die Zeit dynamisch ist. Sie schreitet voran, von 6 Uhr bis 14 Uhr, wie auf dieser Sonnenuhr. Stunde um Stunde, Tag für Tag, im Monatsrhythmus und im Jahresrhythmus. So kann selbst eine solche eintönige Schularchitektur lebendig werden.

6. Juni 2021


Keine fünf Minuten hatten wir am Café Bröhl in der Troisdorfer Fußgängerzone draußen gesessen, da schnellte ein Winken und Rufen zu meinem Schwager herüber, der gerade ein Stück Käsekuchen aß. Keine fünf Minuten und ich hatte den Eindruck, er kenne aus allen Ecken und Winkeln der Stadt jemanden. Es war ein Arbeitskollege, der mit Vornamen Michael hieß und in der Behindertenwerkstatt arbeitete. Mit seinem etwas fülligen Oberkörper watschelte er heran, schüttelte ihm die Hand. Er begrüßte ihn und meinte, mich hätte er früher genauso gesehen. Er heiße Michael, stellte er sich vor, begleitet von einer netten hübschen Frau. An einer ähnlichen Stelle, ebenso Kuchen essend, hätte ich mit meinem Schwager zusammen gesessen, aber wo und wann, daran erinnerte er sich nicht. Die beiden Mitarbeiter aus der Behindertenwerkstatt wechselten ein paar nette warme Worte, dann verschwanden sie so schnell wieder, wie sie gekommen waren. Die Erleichterung musste für meinen Schwager immens sein, nach einem halben Jahr des Lockdowns. Sah man ab von seiner werktäglichen Arbeit in der Behindertenwerkstatt, ging die Abwechslung gegen Null, die sich auf den einen oder anderen Spaziergang mit einer Betreuerin an den Rhein beschränkte. Das Haus verließ er kaum, die Behindertentreffs fielen aus, das monatliche Kegeln fand nicht statt, und bis auf Spaziergänge, wozu er mit uns keine Lust hatte, sah er die Wände seiner Dreier-WG nur von innen. Nun hatten wir endlich seine Eingesperrtheit verlassen, und wir taten das, was wir in Vor-Corona-Zeiten häufig gemacht hatten: uns etwas in unserer näheren Umgebung anschauen, ein längeres Stück laufen und uns bei einer Tasse Kaffee und einem Stück Kuchen entspannen. Um unsere alten Freiheiten wieder zu gewinnen, werden wir solche Aktivitäten in den nächsten Wochen und Monaten bestimmt wiederholen.

7. Juni 2021


Bisweilen stellt sich die Sinnfrage, wozu all das Unterwegssein gut ist. So die Fahrt nach Oberwesel: das Reiseziel entsprach zunächst nicht den Erwartungen, der Aufenthalt war total verregnet, wegen des Lockdowns bestand keine Einkehrmöglichkeit. Erst die Lage der Kirche St. Martin bot wahnsinnige Ausblicke, die sich ganz fest in der Erinnerung verankerten und die Stadt zu einem vollendeten Erlebnis machten. Viele zu gerne bin ich unterwegs, ich bin neugierig auf unbekannte Orte, auf Sehenswertes, das häufig direkt in der näheren Umgebung liegt. Das spornt mich an, mehr sehen zu wollen, noch unbekanntere Orte, um immer mehr Neues zu sehen, das irgend wann überquillt in den Erinnerungen, aber in seinen Details sehr fest haften bleibt. Wieso ich so wahnsinnig gerne unterwegs bin, diese Antwort habe ich in diversen Buchhandlungen gefunden. Besonders konzentriert an relevanter Reiseliteratur ist die Buchhandlung Thalia im Koblenzer Löhr-Center. Eifel, Mosel, Rhein, Mittelrhein sind die Gegenden, die mich mittlerweile nicht mehr loslassen. Im Angebot sind 111 Orte, Wanderungen für die Seele, Traumpfade und – Glücksorte. Diese Bücherserie beantwortet genau die Frage, wozu all das Unterwegssein gut ist. Es ist die Suche nach dem Glück, mit sich selbst eins zu sein. Kontraste zu finden zur eigenen, näheren Umgebung, wo die Dinge anders sind und wo man die Seele baumeln lassen kann, weil alle Sorgen, Nöte und Alltagslasten sich in ein Nichts aufgelöst haben. Für die 111 Orte, Wanderungen für die Seele, Traumpfade und Glücksorte muss man nicht unbedingt nach Koblenz fahren, die Literatur zu der relevanten Umgebung gibt es auch in hiesigen Buchhandlungen. So am Marktplatz in unserer Stadt, wo die Buchhandlung dasselbe Angebot an Glücksorten bereit hält.

8. Juni 2021


„Möchten Sie duschen ?“, mit dieser höflichen Frage begrüßte die Dame vom Roten Kreuz unseren WG-Bewohner, der sich nur noch schwer zu irgend welchen Aktivitäten aufraffen konnte. Manchmal blieb er den ganzen Tag im Bett liegen, und das Aufstehen fiel ihm schwer. Aus all seiner Lethargie kam er mit seinen 62 Jahren schwer heraus, so dass man vielseitige Hilfe für ihn organisiert hatte. Er bekam Essen auf Rädern, eine Putzhilfe, es schaute jemand vorbei, der aufpasste, dass er seine Tabletten nahm. Und jemanden, der ihn beim Duschen unterstützte. In den letzten Wochen hatte sich die Unterstützung beim Duschen so gestaltet, dass ein junger Mann vom Roten Kreuz schaute, ob unser WG-Bewohner all seine Sachen zum Duschen zusammen hatte. Er schaute in den Schrank und stellte fest: „Hier haben wir die Handtücher“ und „hier ist die Unterwäsche“, dann nahm er die notwendigen Dinge für das Duschen, er wies seinen Klienten aus dem Bett, dann setzten die beiden ihre Schritte in Bewegung, sie gingen zusammen zur Dusche, wo der WG-Bewohner seinen Körper einer Dusche unterzog. Mit einer anderen Mitarbeiterin vom Roten Kreuz lief es diesmal anders. Zunächst beschwerte sie sich, dass sie das Haus zuerst nicht finden konnte, weil keine Hausnummer an dem Haus angebracht war. Als die Mitarbeiterin ihren Klienten ausfindig gemacht hatte, ergab sich die höfliche Frage: „Möchten Sie duschen ?“ Für den trägen und schwerfälligen WG-Bewohner war die Art und Weise, dass das Duschen als Frage formuliert war, ein Segen, denn die Frage konnte er mit ja oder nein beantworten. Diese Gelegenheit, mit Nein zu antworten, ließ er sich nicht nehmen. Im Bett liegen bleiben zu können, kam seiner Trägheit entgegen. „Jetzt noch nicht“, lautete seine Antwort. „Das mache ich lieber später“, schob er hinterher. Und so konnte er sich dieser Aktion entziehen, indem er vorläufig im Bett liegen blieb. Mit Sicherheit wird er an diesem Tag nicht geduscht haben, weil die Mitarbeiterin vom Roten Kreuz bald aus dem Haus war und niemand mehr da war, der dies kontrollieren konnte.

9. Juni 2021


Nach langen Sommern der Trockenheit hat sich das Bild in diesem Jahr grundlegend gewandelt. Im Frühjahr hat es immer wieder geregnet, die Natur hat reichlich Wasser von oben erhalten, die Dürre ist bis in tiefere Bodenschichten verschwunden. Die Böden sind wieder feucht, und es grünt und blüht ordentlich. So gibt sich der Grünstreifen zwischen den Feldern und der Straße ganz schön farbenfroh. Die Blüten muntern auf, reihen sich perfekt aneinander und folgen der Kurve, die die Straße in dem auslaufenden Industriegebiet zieht. Die hellblauen Kornblumen stechen besonders hervor, daneben die lilanen Blüten von distelähnlichen Pflanzen, die aber keine Disteln sind. Ein Stück weiter wächst der Klatschmohn auch ganz üppig, und ein paar orange Blüten komplettieren die Idylle aus ganz viel Grün und Blüten.

10. Juni 2021


Bin so intensiv von den Aufgaben in Anspruch genommen, die am Büroarbeitsplatz zu erledigen sind, dass es mir schwerfällt umzuschalten auf eine besinnlichere Gangart. Nur noch Excel-Tabellen schwirren in meinem Kopf herum und welche Rechenoperationen als nächstes durchzuführen sind. Was noch alles fehlt, bis das Gesamtkonzept fertig ist. Wann welche Termine einzustellen und wahrzunehmen sind und an welchen Stellen sich mögliche Rechenfehler verstecken könnten. Das nimmt einen ein und belagert den Kopf, der sich wie eine Mauer abschirmt gegen alle Gefühlswelten. So schottet sich die Fahrradfahrt auf dem Rheindamm ab gegen all die kleinen Freuden des Alltags, die ich sonst so gerne sehe. Ich schaue nur auf den Fahrweg auf dem Damm, all die Blumen linksseits und rechtsseits blende ich aus. Blumen, die mit ihrer Farbenpracht die Dammkrone verschönern und vor Details nur so strotzen. Anstatt links und rechts zu schauen, spule ich meine Fahrstrecke ab, Meter für Meter, und all die Belagerungen in meinem Kopf durch Zahlen werde ich nicht los. Das Zeitgefühl, den Augenblick bewusst zu erleben, geht so verloren. Im Status der Produktivität schwindet die Zeit so schnell, dass man sich am Ende der Periode wundert, wo die Zeit geblieben ist. Dieser Umgang mit der Zeit, dass sie sich ausfüllt, um Zahlen zu produzieren, ist fahrlässig und jammerschade. Man wird gelenkt von fremden Mächten, die einen einzwängen in eine Spur des Weges. Diese Zeiteinheiten verfliegen dann, ohne sie erlebt zu haben und ohne jeglichen Sinn und Inhalt.

11. Juni 2021


Bei real hatten wir unsere Wocheneinkäufe erledigt, und ich wollte an unsere Gewohnheiten vor Corona anknüpfen, beim thailändischen Imbiss etwas zu essen. Drei Wochen nach den Corona-Lockerungen waren nun vorbei, dass die Außengastronomie wieder öffnen durfte. Vierzehn Tage später war die Innengastronomie an der Reihe, wieder zu eröffnen, und dies wollten wir nun beim thailändischen Imbiss testen, der innerhalb des Einkaufszentrums HUMA lag. Als wir nach unseren Einkäufen dort ankamen, war der Imbiss noch nicht so weit. Die rot-weißen Absperrbänder versperrten weiterhin die Tische und Stühle, die thailändischen Imbissbetreiber boten nur Essen zum Mitnehmen an, als hätte es die Öffnung der Innengastronomie nicht gegeben. So fuhren wir, ohne gegessen zu haben, nach Hause zurück. Aber es gab ja auch in unserem Ort Restaurants, die geöffnet hatten. So hatten wir vor etwas mehr als einer Woche ausgekostet, nach dem Ende des Lockdowns im Restaurant „Zur alten Post“ wieder essen zu können. Heute wählten wir das griechische Restaurant in dem alten Fachwerkhaus. Wir saßen draußen, zwischen altem Fachwerkgebälk und dem Parkplatz vor dem Netto-Discounter, der in der Kombination nicht gerade einen inspirierenden Ausblick bot. Das tat der Gemütlichkeit aber keinen Abbruch, in der Atmosphäre eines Restaurants das Essen zu genießen. Ich aß Leber mit gerösteten Zwiebeln und Reis, und bei einem Glas trockenen Weißwein und Roséwein begossen wir das Ende des Lockdowns, welches nun etwa drei Wochen zurück lag.

12. Juni 2021


Ein Tag, der unsere lahmenden Aktivitäten am Haus des verstorbenen Schwiegervaters wieder in Gang brachte. Es hatte sich nämlich Besuch angekündigt. Der Bruder und die Schwester des einen WG-Bewohners wollten vorbei schauen und sich um ihn kümmern. Er, der eine WG-Bewohner, war in meinem Alter, sehr oft war er antriebslos, häufig blieb er den ganzen Tag im Bett liegen. Nachdem er mittlerweile vier Monate in der WG wohnte, hatte er es nicht auf die Reihe gekriegt, die Umzugssachen aus seiner vorherigen Wohnung halbwegs wegzuräumen. Da der andere WG-Bewohner sich einen – allerdings sehr kleinen – Elektrogrill angeschafft hatte, hatten alle miteinander vereinbart, dass sie grillen wollten und dafür Salate zubereiten wollten. Die beiden Geschwister hatten sich bereits morgens zusammen gefunden und suchten das Chaos im Zimmer ihres Bruders zu bewältigen. Der Bruder hatte aus eBay-Kleinanzeigen einen Kleiderschrank organisiert, den wir zusammen aus seinem OPEL-Kombi hinein trugen. Andere Sachen schafften sie in den Keller, so dass der Zustand des Zimmers am Ende des Tages deutlich aufgeräumter war. Gegen 15 Uhr hatte ich mich mit unserem Sohn aufgemacht, um das, was einmal als Rasen angesät war, zu mähen. Von Rasen war ziemlich wenig zu sehen, da all die Unkräuter im Boden – wie Ackerwinde oder Brombeeren – zu wuchern begonnen hatten. Das sollte sich ändern, nachdem unser Sohn mit dem Rasenmäher auf der Fläche tätig geworden war. Stängel von Ackerwinde lagen, danach nieder gestreckt zwischen aufgekeimtem Gras, dessen kurz geschnittenes Grün nunmehr wesentlich zahlreicher zum Vorschein kam. Nun hatten wir unseren Teil dazu beigetragen, dass neben dem einen WG-Zimmer ebenso das Äußere um das Haus herum aufgeräumter erschien.

13. Juni 2021


Wie so häufig, wollte ich am Sonntagnachmittag bei schönem Sonnenwetter heraus aus unseren eigenen vier Wänden. Da es unter den gelockerten Corona-Regeln kein Problem war, die Gastronomie aufzusuchen, schlug ich vor, mit unseren Fahrrädern an die Siegfähre zu fahren und dort etwas zu trinken. Den Menschenauflauf, den wir dort sahen, übertraf allerdings all das, was wir in Vor-Corona-Zeiten erlebt hatten. Solche Menschenmassen scharten sich zusammen, dass das Ausflugsziel der Siegfähre überquoll. Ob noch Plätze frei waren, erschien fraglich, da sich eine Warteschlange von an die zwanzig Menschen vor dem Eingang gebildet hatte. Die Sieg und dessen Ufer war bevölkert von Familien, die auf Badehandtüchern im Freien lagen oder im Wasser herum plantschten. Überall rannten Menschen herum, und besonders schlimm war die Parkplatzsituation. Es kurvten so viele Autos herum, sie drehten und wendeten, weil sie keinen Parkplatz fanden, dass selbst wir als Fahrradfahrer nicht vorwärts kamen. Autofahrer versperrten die schmale Straße und kamen nicht vom Fleck. Als es dann doch vorwärts ging, kehrten wir ein in einen Biergarten im Stadtteil Bergheim, der sich in die Ortsmitte hinein gepflanzt hatte. Unsere Fahrräder im Blickfeld, stellten wir diese unabgeschlossen vor einen Baum. Unsere Dreier-WG und mein Schwager boten reichlich Geprächsstoff. Möglicherweise war es ein Fehler, dass dem einen WG-Bewohner nach seinem Aufenthalt in der LVR-Klinik Dinge, die er bis dahin selbst erledigt hatte, abgenommen wurden. Zuvor war er einiges selbstständiger, während er nun oftmals den ganzen Tag im Bett lag. Damit er seine Tabletten nahm, wurde ihm ein Mitarbeiter des Roten Kreuzes vorbeigeschickt. Zweimal wöchentlich sollte er duschen, dazu schickte man ihm einen anderen Mitarbeiter vorbei. Er brauchte nicht mehr zu kochen, so dass man ihm Essen auf Rädern lieferte. Zu putzen brauchte er ebenso nicht mehr, weil ihm dies eine eigene Putzhilfe abnahm. Hierdurch setzte sich eine Abwärtsspirale in Gang. Die Zeitanteile, in denen er aktiv auf den Beinen war, nahmen nicht zu, sondern ab. Sich aufzuraffen, fiel ihm immer schwerer, so dass er sich nur noch gehen ließ. Das zweite Gesprächsthema war mein Schwager, der bockig war. In der Zeit, als er bei uns gewohnt hatte, hatte er fast nur auf demselben Fleck vor dem Fernseher gesessen. Rund um die Uhr hatte er sich bedienen lassen, weil wir für ihn gesorgt hatten. Dazu kam Corona, dass er sich aus Schutz vor einer Infektion möglichst wenig aus dem Haus bewegen sollte. Durch diese Untätigkeit hatte er Wasser in den Beinen, wogegen er Tabletten nehmen sollte. Gerne trank er abends sein Weizenbier, und genau dieses verwendete meine Frau nun als Druckmittel: er sollte zu Fuß zu uns kommen, um sich das Weizenbier aus dem im Keller stehenden Kasten zu holen. Und dazu war er zu faul. In zwei Fällen war es ihm gelungen, Weizenbier über die Betreuerin zu kaufen, die ihm bei den Wocheneinkäufen half. Bockig war er nun, weil das Weizenbier als Druckmittel benutzt wurde. Er war nicht mehr ansprechbar, er starrte ausschließlich auf den Fernseher. Abends aß er nichts mehr, und darüber hinaus kapselte er sich von seinen WG-Bewohnern ab, weil er die gemeinsame Küche mied. Er lehnte es ab, die Tabletten gegen das Wasser in den Beinen zu nehmen. Es war nun mal keine „normale“ WG mit gesunden Menschen. Dabei war die Entwicklung höchst ungewiss, wenn sich der Schwager weiterhin bockig anstellte, vieles ablehnte und jeglichem Gespräch aus dem Wege ging.

14. Juni 2021


Eine Fußball-Europameisterschaft, bei der ich einige Tage brauchte, um aus dem Corona-Modus herauszukommen. Am Tage des Eröffnungsspiels von Italien gegen die Türkei hatte ich noch gar keine Notiz davon genommen, dass wieder Fußball angesagt war. Bei der Nicht-Fußballbegeisterung meiner Frau hatte ich in vergangenen EM’s und WM’s nach Lücken gesucht, im Fernsehen Spiele zu schauen. So ging Fußball einige Tage lang an mir vorbei, bis ich die Lücken fand, um Fußball im Fernsehen zu schauen. Diese Lücken fand ich dann, wenn meine Frau bei meinem Schwager oder im Garten war. So saß ich gestern gebannt vor dem Fernseher, als die Niederlande 3:2 gegen die Ukraine gewann. Dass das Interesse und die Begeisterung wieder da waren, dafür sorgten die Zuschauer. Die Geisterspiele in der Bundesliga waren ohne Temperament und bisweilen gleichgültig gewesen, doch dies war nun mit Zuschauern komplett anders. 15.000 Zuschauer hatten sich im Amsterdamer Stadion bei Spiel der Niederländer zusammen gefunden, und beim Zuschauen fesselte mich die Spannung. Es war ein gutklassiges und interessantes Spiel. Die Niederländer gestalteten das Spiel in der zweiten Halbzeit überlegen, sie gingen 2:0 in Führung und mussten dann aber mit einem Sonntagsschuß und einem Kopfball der Ukrainer den Ausgleich hinnehmen. Acht Minuten vor Spielschluss erzielten die Niederländer dann das 3:2. Die Begeisterung war vollkommen anders, als die Spieler diese mit den Zuschauern teilten und mit den Fans zusammen jubelten. Der Fußball hatte mich wieder in seinen Fängen. Die Begeisterung war um einiges steigerungsfähig, wenn ich einigen Tagen die deutsche Fußball-Nationalmannschaft gegen Frankreich spielen würde.

15. Juni 2021


Wieso nicht Kindergartenkinder einbeziehen in die Gestaltung des Ortskerns ? Der Troisdorfer Stadtteil Bergheim kann beschaulich sein. Einige schmucke Fachwerkhäuser haben sich erhalten, eine Anzahl von vierzig verteilt sich im Ortszentrum, ihr Alter reicht bis ins 17. Jahrhundert zurück, dazu gehört ein ehemaliges Zollhaus, und all die Verzierungen können einen historistischen Baustil aufweisen. Der hohe Kirchturm der St. Lambertus-Kirche schaut im Stil der Neugotik herab auf das Ortszentrum, das im Jahr 2008 einen neuen Brunnen erhielt. Die Gaststätte „Alt Bergheim“, eines der Fachwerkhäuser aus dem 17. Jahrhundert, ist froh gewesen, in Zeiten von Corona wieder öffnen zu dürfen. In wenigen Wochen hat sich die Geselligkeit an den Biertischen wieder eingeschwungen, an einem Platz, wo das Fachwerk, der Kirchturm, die Geselligkeit und den Brunnen zu einer Einheit verschmelzen. Neben den Säulen von Fischernetzen, die die Bedeutung des Fischfangs symbolisieren, gehören zu dem Brunnen auch die drei Frösche, wozu die Kindergartenkinder ihren essenziellen Beitrag geleistet haben. Sie durften die Namen der drei Frösche auswählen. Fred, Fritz und Frodolin zieren seitdem den Ortskern von Bergheim. Wasser sprudelt aus ihren Mündern heraus, sie sorgen für Abkühlung in der Hitze und Kinder plantschen bisweilen gerne zwischen ihnen herum.

16. Juni 2021


Die Empfangshalle, wo ich mich hinsetzen konnte und warten konnte. Ein MRT musste gemacht werden, das rund eine halbe Stunde dauerte. Ich war froh, stressfrei sitzen zu können in einer ungewissen Situation, was die Psyche unserer Tochter betraf. Lesend entspannte ich mich, dabei betrachtete ich ständig die hinein- und hinausgehenden Menschen. Angst spürte ich keine, dabei stimmten uns die Umstände nach dem MRT zufrieden. Entlassung, wir hatten unsere Tochter wieder nach Hause zurück. Unsere Tochter musste noch ein EEG machen, das hatte aber Zeit. Das musste nicht hier und jetzt sein, sondern konnte später in einer neurologischen Praxis geschehen. Einstweilen durften wir nach Hause zurück, raus aus dieser Klinik.

17. Juni 2021


Niemand wollte sie haben, als ich sie in Ebay-Kleinanzeigen eingestellt hatte. Da blieb mir nichts anderes übrig, als die Unmasse von Kartons mit alten SPIEGEL-Zeitschriften kartonweise aus unserer Garage in die Altpapiertonne zu entsorgen. Dabei hielt ich eine Ausgabe zurück: einen Bericht mit einem Interview mit Manfred Krug aus dem Jahr 1997, als er einen Schlaganfall erlitten hatte. Seit einem Jahr fühle ich mich mit Opfern von Schlaganfällen und Herzinfarkten solidarisch, da ich selber einen solchen erlitten hatte. Die Prominenten mit solch einem einschneidenden Ereignis häufen sich: Wolfgang Niedecken, Rick Parfitt von Status Quo, Eberhard Veit als Tatort-Kommissar Thanner, die WDR-Moderatorin Lisa Ortgies oder der Schauspieler Dirk Bach. Manfred Krug hatte in meinem Alter, mit 60 Jahren einen Schlaganfall erlitten, dabei schob er die Ursache sich selbst zu. Er habe gerne gut gegessen und gut getrunken, er habe keinen Sport getrieben. Daraufhin subsummierte er, dass der Lebensstil früherer Jahre sich im Alter auswirken würde. Ereignisse wie ein Schlaganfall seien da folgerichtig. In dem Interview mit dem SPIEGEL äußerte er eine Angst vor dem Siechtum. Dass Krankheiten zur Qual werden, dass Arzttermine den Alltag bestimmen und dass die Mobilität stark nachlässt. Dass vieles durch das Siechtum zugrunde geht. Kontakte schlafen ein, weil man sich nicht mehr sieht. Freundschaften gehen zugrunde. In seine eigenen vier Wände eingesperrt, nimmt man am Alltagsleben nicht mehr teil. Solch ein Siechtum wird es lange Zeit bei Manfred Krug nicht gegeben haben. Mit 77 Jahren musste er eine zweite Herz-OP überstehen, weil seine Herzklappen nicht mehr mitmachten. Im Alter von 79 Jahren starb er 2016.

18. Juni 2021


„Unfassbar, drückend und schwül“, so beschrieb die Moderatorin Anne Gesthuysen das Wetter in der Aktuellen Stunde im WDR-Fernsehen. In der Tat, die 35 Grad Höchsttemperatur erschöpften und erlahmten. Zu der Hitze kam die feuchte und schwüle Luft, die die Außenbereiche in einen Backofen verwandelte. Ich arbeitete im Home Office. Obschon die Rolläden herunter gelassen waren und die Fenster geschlossen waren, staute sich die Hitze im Büro. Ich schwitzte wie verrückt, obschon ich die Konzentration noch aufbringen konnte um zu arbeiten. Das Denken kam schwer in Gang, das Arbeitstempo war schlecht, schwierige Themen musste ich beiseite schieben. Auch als ich meine Home Office-Tätigkeit beendete, konnte ich mich nur schwer aufraffen. Im Garten war es effektiv zu heiß, so dass ich den Aufenthalt im Haus bevorzugte. Derweil weigerte sich der Himmel strikt, für Abkühlung zu sorgen. Der Wetterbericht hatte zwar Gewitter und Regen angekündigt, aber, wie so oft, nur stellenweise und dies gleich in Form von Unwettern, die sich niemand wünschte. Nur wenige zarte Wölkchen zeigten sich schüchtern am Himmel, die das Gesamtbild des vollends blauen Himmels nicht beeinträchtigten. Wir mussten also weiter schwitzen in dieser Hitzekammer und uns verkriechen an irgendeinen Ort, an dem es halbwegs erträglich war.

19. Juni 2021


Es war ein geradezu epochales Ereignis mit einem Seltenheitswert, der mehr als drei Jahre zurück lag. Noch genauer, waren es drei Jahre und zwei Monate, das konnte ich in meinem eigenen Tagebuch nachlesen, als ich unsere Tochter nach Rösrath gefahren hatte, wo sie zu einem Geburtstag eingeladen worden war von einem Mädchen, das sie in der Tagesklinik kennen gelernt hatte. Danach war sie weder von anderen zu Geburtstagen eingeladen worden, noch hatte sie selbst eingeladen. Drei Jahre lang keine Geburtstagsfeiern mit Freunden, so hatte ihre Jugend einen ziemlich abgeschlossenen, isolierten und auch ausgegrenzten Verlauf genommen. Ein Teil war sicherlich Corona Schuld gewesen, das seit dem Frühjahr letzten Jahres eine ganze Reihe von Geburtstagseinladungen verhindert hatte. In der Zeit davor waren es aber ihre Klassenkameraden, die sie gemobbt und ausgegrenzt hatten. Zwei Mitschülerinnen hatten es geschafft, den Rest der Klasse gegen sie aufzubringen. Niemand sollte Kontakt mit ihr haben, alle sollten sich von ihr abwenden und sie isolieren. Niemand sollte mit ihr reden. Kinder können grausam sein, und es gelang unserer Tochter auch nicht, sich anderweitig einen Freundeskreis aufzubauen. Seit diesem Schuljahr ist sie in einer anderen Klasse, und seitdem läuft das Miteinander besser. Zumindest umarmt sie sich morgens, wenn wir sie an der Schule absetzen, mit mehreren Mitschülerinnen. Und sie hat auch eine Freundin, mit der sie sich häufig trifft. Ihre Schwester hat sie nun zum Geburtstag eingeladen. Im Garten des Mehrfamilienhauses ist gegrillt worden, und es hat unserer Tochter gut gefallen.

20. Juni 2021


Was für ein ökologischer Irrsinn. Als ich zuletzt unsere Wocheneinkäufe im Einkaufszentrum in Niederkassel-Ranzel erledigen wollte, wollte ich als erstes in der Obst- und Gemüseabteilung bei LIDL meinen Einkaufszettel abarbeiten. Doch dazu kam ich erst gar nicht, wobei ich meinen Augen nicht traute und gleich mehrfach hinsehen musste. Der Discounter LIDL existierte nicht mehr und war platt gemacht worden. Der Abriss war in einer Nacht-und-Nebel-Aktion vollendet worden, und nun kurvten Bagger flink umher, um die letzten Gebäudereste zu einem Haufen anzuhäufen. Nicht nur das Gebäude war platt gemacht worden, sondern ich selbst war ebenso platt, weil der Supermarkt gerade 13 Jahre alt war. Aus sozialen Netzwerken erfuhr ich, dass wirtschaftliche Gründe dahinter steckten. In Konkurrenz mit den anderen Supermärkten REWE und ALDI wollte LIDL seine Verkaufsfläche für ihre Kunden erweitern. Abriss und Neubau waren günstiger als ein Erweiterungsbau, daher der Abriss. Die Bagger sortierten fleißig den Bauschutt, damit dieser artengerecht wieder verwertet werden konnte. Dennoch verharrte das kapitalistische Diktat in dem Glauben, die Ressourcen unseres Planeten Erde seien unerschöpflich. Obschon Rohstoffkreisläufe gebildet worden waren, stand am Anfang der Wertschöpfungsketten die Ausbeutung von Steinbrüchen oder Wäldern, dabei dachte niemand in globalen Dimensionen. Gerade bei den Wäldern war dieser Kreislauf aus den Fugen geraten. Bei uns hatte der Borkenkäfer und die Dürre für ein Überangebot an Holz gesorgt, das größtenteils in die USA exportiert wurde, weil dort große Mengen Holz durch Waldbrände vernichtet worden waren. Aber nicht nur Holz, auch Rigipsplatten, Dämmmaterial oder PVC-Produkte sind knapp, weil man sich an den Ressourcen unseres Planeten nicht beliebig bedienen kann. Was für ein ökologischer Irrsinn.

21. Juni 2021


Das sei reine Kopfsache, meinte mein Urologe bei der letzten Krebsvorsorge, als ich das Ereignis meines Herzinfarktes beschrieb. Die Fahrt mit meinem Rennrad ins Büro empfand ich als normal, Wandern ebenso, durch die Wahner Heide, durch die Eifel oder an der Ahr. Aber mehr ? Anspruchsvolle Steigungen hatte ich seitdem mit dem Rennrad gemieden, längere Strecken ebenso. Aus Angst, sozusagen. Er bezeichnete einen Herzinfarkt als „Klatsche“, und genauso hatte ich ihn empfunden. Die Warnung war strikt und eindeutig, dass sich so etwas nicht wiederholen durfte, und all die Empfehlungen der Ärzte gingen in die Richtung eines moderaten Ausdauersportes. So war die Hemmschwelle hoch, mich an schwierigere Steigungen heran zu tasten und längere Strecken. Dies zu wagen, passte in den zeitlichen Rahmen des heutigen Nachmittags. Ich schwankte zwischen den Zielen Hennef, Remagen und Rheinbach mit rund 50 Kilometer Streckenlänge und nicht allzu giftigen Anstiegen. Ich entschied mich für Rheinbach, dessen Strecke nur einen, sehr langen Anstieg aus der Rheinebene in den Kottenforst beinhaltete. Ich meine, es war drei Jahre her, dass ich zuletzt durch den Kottenforst geradelt war. Teilweise war die Fahrt ein blanker Horror, was der Borkenkäfer und die Trockenheit in den vergangenen Jahren angerichtet hatten. Große Waldstücke waren kahl geschlagen, ausgetrocknete Fichten hatten ihr lebloses Dasein stehen gelassen. Manche Baumstämme waren mit den Fraßspuren der Borkenkäfer entstellt, und die Vorstellung fehlte, wie viele Jahrzehnte es dauern würde, dass alles nach der Aufforstung wieder nach einem ganz normalen Wald aussähe. Trotz der Trostlosigkeit der Kahlschläge ging es meinem Herzen bestens. Den Anstieg in Bad Godesberg in den Kottenforst verkraftete es gut, und schön gleichmäßig arbeitete es die flachen Passagen in der Ebene vor Rheinbach ab. Ein Manko hatte Rheinbach dann doch parat: aus dem Brauhausbier am Rheinbacher Brauhaus wurde nichts, weil Montag Ruhetag war. Die Suche nach einem gemütlichen Fleck, um ein Bier zu trinken, gestaltete sich schwierig. Es war Ruhetag, Gaststätten waren um die frühe Nachmittagszeit noch verschlossen oder ich hätte mit Eisdielen oder Bäckereien Vorlieb nehmen müssen. So landete ich schließlich bei Kamps, wo wenigstens WLAN verfügbar war, so dass ich Online gehen konnte. Am Ende des Tages war ich froh, dass ich die Kopfsache überwunden hatte. Das Maß der Erschöpfung war höchst angenehm. Tief atmete ich durch. Mein Körper befand sich in einem ganz neuen, höherwertigen Gleichgewicht.

22. Juni 2021


Den heutigen Tag, an dem ich einen sogenannten Extra-Zeit-Ausgleichs-Tag nahm, gestaltete eine Planänderung. Ich hatte einen Besuch von Bacharach am Mittelrhein ins Auge gefasst, doch der Anschlusszug, den ich in Koblenz nehmen wollte, hielt gar nicht in Bacharach. Der Zug eine Stunde später, den ich vor einigen Wochen nach Oberwesel genommen hatte, hätte auch in Bacharach gehalten, der Zug eine Stunde früher hingegen nicht. Die Fahrpläne der Deutschen Bahn sind konsistent und vieles kann man sich merken, in diesem Fall allerdings nicht. Das machte aber nichts, denn ich war ja flexibel und auch spontan. So plante ich um in Koblenz und wechselte kurzer Hand in einen anderen Zug. Anstelle durch das Mittelrheintal ging es durch das Moseltal. Nach der Wanderung Ende April nach Cochem hatte ich im Internet nach weiteren Wanderungen an der Mosel herum gesurft. Passend zu den Bahnverbindungen, hatte ich eine Wanderung in Kobern-Gondorf entdeckt. Der mystische Hauch des Wanderweges hatte mich elektrisiert. Ein Fabelwesen, der Tatzelwurm, hatte dem Wanderweg den Namen gegeben. Nach der Sage hatte der Tatzelwurm in einer Höhle gelebt, er hatte einen reptilienartigen Körper und den Kopf einer Raubkatze. Der Tatzelwurm machte sich über die Weinberge her und zerstörte die Felder in Kobern-Gondorf. Aggressiv und gefährlich, tötete und verspeiste er Jungfrauen. Mit einer List gelang es Heinrich dem Kreuzritter endlich, das gefährliche Biest zu töten: er stellte ein Fass Moselwein vor den Höheneingang, und mit dem Schwert konnte er den betrunkenen Tatzelwurm erstechen. So die Sage. Der Wanderweg führte vorbei an der angeblichen Höhle des Tatzelwurms, der Weg hatte aber noch mehr Interessantes zu bieten: einen atemberaubenden Blick auf die Mosel, einen Sauerbrunnen, eine Kapelle in byzantinischem Stil aus dem 12. Jahrhundert, ein Burgenpaar, der Fundort eines Schädels aus der Zeit der Kelten, und den Abschluss der Wanderung rundete der Marktplatz mit der Steinfigur des Tatzelwurms ab. Mit einigen schönen Fachwerkhäusern war es dort echt gemütlich. Es hatte leicht zu regnen begonnen, und um die Mittagszeit hatten nur wenige Menschen Platz gefunden an den freien Plätzen des Restaurants, der Pizzeria und des Eiscafés. Eine Gruppe von Fahrradfahrern suchte sich zu orientieren und fuhr dann weiter. Irgendwie hatte ich Lust auf einen trockenen Weißwein und diesen bestellte ich dann auch an der einen Gaststätte.

23. Juni 2021


Ich besann mich zurück an den Kahlschlag im Kottenforst. Das Gesamtbild war jämmerlich, was der Borkenkäfer und die Trockenheit zurück gelassen hatten. Das waren strukturelle Probleme, dass bisweilen großflächig Fichten angepflanzt waren. Stellen von Mischwald oder auch Laubwald waren vergleichsweise wenig betroffen. Die Lücken, die im Wald klafften, trafen mitten ins Herz. Die Harmonie früherer Rennradtouren durch ein in sich geschlossenes Waldgebiet des Kottenforstes war dahin. Eine Harmonie, die letztlich auf die Anlage des Wegenetzes in der Barockzeit unter dem Kurfürsten Clemens August zurück zu führen war. An diesen Anblick größerer Freiflächen, die aufgeforstet werden mussten, musste ich mich erst gewöhnen. Die Setzlinge waren mickrig, bodendeckende Gräser konnten die hochachtungsvolle Größe von Bäumen nicht ersetzen. Deprimierend waren ausgetrocknete und ausgedörrte Fichten, die stehen gelassen worden waren. Was ich selbst vor Augen hatte, schien der Mensch, der nicht hinschaute, zu vergessen. In der Begrifflichkeit, könnte man es als kognitive Dissonanz bezeichnen. Es war wie bei Corona. Ein Wettlauf zwischen dem Menschen, Schädlingen und den Launen der Natur. Sowohl Corona wie Schädlinge zeigen ihre Zähne. Eine Herausforderung mit dem Menschen, die auf des Messers Schneide steht.

24. Juni 2021


Nachdem die Kleinkariertheiten der Krankenkasse, was die Erstattung von Arztrechnungen betrifft, zuletzt abgenommen hatte, bin ich nun erneut in die Mühlen der Bürokratie hinein geraten. Ich selbst muss regeln, dass die richtige Krankenkasse, die zuständig ist, mit dem behandelnden Arzt abrechnet. In dem Fall geht es um unsere Tochter, die seit Februar 2021 sozialversicherungspflichtig beschäftigt ist, wobei die Krankenversicherung über die AOK Baden-Württemberg läuft. Zuerst hatte unsere Tochter in die Wege geleitet, sich ab März 2021 bei der Techniker Krankenkasse zu versichern. Davor war sie bei mir über die Postbeamtenkrankenkasse mitversichert. Über den Arbeitgeber wurde sie parallel ab Februar 2021 bei der AOK Baden-Württemberg versichert, worüber sie aber nicht informiert wurde. Sie entschied sich schließlich für die Krankenversicherung bei der AOK Baden-Württemberg. In diese Zeit der Verwirrung, bei welcher Versicherung sie krankenversichert war, fiel ein Zahnarzttermin, und zwar am 8. Februar. Zu dem Zeitpunkt, als die Arztrechnung einging, war sie für eine kurze Zeit bei der Techniker Krankenkasse versichert (ab März). Diese Arztrechnung reichte ich bei der Postbeamtenkrankenkasse ein, ich bekam sie erstattet und überwies den Rechnungsbetrag an den Zahnarzt. Nun fordert die Postbeamtenkrankenkasse diesen Betrag von mir zurück, da zum Zeitpunkt der Behandlung am 8. Februar unsere Tochter bei der AOK Baden-Württemberg krankenversichert war. Ich selbst darf nun regeln, dass der Zahnarzt sein Geld nicht über die Postbeamtenkrankenkasse erhält, sondern von der AOK Baden-Württemberg. Ich muss so einiges herum telefonieren. Mit mehreren Abteilungen der AOK Baden-Württemberg, mit der Postbeamtenkrankenkasse und mit unserer Tochter.

25. Juni 2021


Noch mal so eine höchst geheime Nacht-und-Nebel-Aktion, bei der sich die Verantwortlichen nicht in die Karten schauen lassen wollen. Das Maximilian-Center, das an der Stelle des früheren Bonner Loches gebaut worden ist, ist gerade einmal ein bis zwei Jahre alt, als das Gewitter vom vergangenen Samstag einen Wasserschaden verursacht hatte. Die unterirdischen Räume, wo die Lebensadern der Elektrik untergebracht sind, sind überflutet worden. Die Kettenreaktion, wer alles ohne Strom ist, ist gewaltig. Oberirdisch die Merzenich-Bäckerei und der Primark-Modeladen, unterirdisch die komplette Ladenzeile mit all den Imbissen und Restaurants, aber auch eine Apotheke und der dm. Dort ist alles abgesperrt mit einer provisorischen Wand. Wachdienste passen auf, dass niemand dort hinein gelangt. Unter den Besitzern sind viele Restaurant-Inhaber, denen der Zutritt verwehrt wird und deren Lebensmittel verderben. Es ist wohl davon auszugehen, dass sich früher oder später Juristen mit dem Thema befassen müssen. Die Inhaber der Ladenpassage schotten sich ab und lassen keinerlei Informationen nach außen dringen. Der entstandene Umsatzausfall und der Schaden dürfte für die Ladeninhaber immens sein. Über alle betroffenen Geschädigten hinweg dürfte die Größenordnung des Schadens riesig sein.

26. Juni 2021


Eine hehre Aufgabe hatte sich unsere Freundin vorgenommen, sie wollte ein Werk verfassen, es war die Arbeit an einem Großprojekt. Fast ein Jahr hat diese Arbeit in Anspruch genommen – die sie nun in Form eines USB-Sticks an uns übergeben hat. Im letzten Sommer ist unser Freund gestorben, den wir über gemeinsame Fahrradtouren kennen gelernt haben. Er hatte in Wolfsburg gewohnt, und seine beiden Schwestern hatten unserer Freundin seine Fotosammlung überlassen. Aus seiner Fotosammlung – und aus ihren Fotos – hat sie eine Art von Biografie verfasst, seitdem wir ihn über unsere gemeinsamen Fahrradtouren kennen gelernt haben. Ganz viel hat sie recherchiert, was er in seinem Leben alles unternommen hat. Unter anderem hat sie seinen Fahrradladen aufgesucht, wo er sich Ersatzteile gekauft hat und seine Fahrräder hat reparieren lassen. Heraus gekommen ist ein umfangreiches Werk auf dem USB-Stick, das in einzelnen Filmen als Dia-Show Ereignisse, Fahrradtouren, Wanderungen, Menschen, Bilder, Gegenden, Städte und Landschaften zeigt. Dabei haben wir selbst die Vorgehensweise, das Fotomaterial an sich zu ziehen und das Leben unseres Freundes zu sezieren, auch kritisch gesehen. Ich selbst habe unseren Freund im Jahr 1983 kennen gelernt, das letzte Mal haben wir uns zu meinem 50. Geburtstag persönlich getroffen. Quer verteilt durch die Jahre ab 1982, hat unsere Freundin 92 Filme erstellt, die aus Abfolgen von Fotos bestehen, untermalt mit Musik und Texten. Die Filme umfassen all seine Aktivitäten inklusive REHAs und Krankenhausaufenthalten bis zu seinem Tod im letzten Jahr. Dabei ist die Schnittmenge gemeinsamer Rad- oder Wandertouren einigermaßen klein, zumal wir uns zwischenzeitlich auch aus den Augen verloren hatten. Manche Bilderabfolgen erinnern aber intensiv an frühere, gemeinsame Zeiten, so unter anderem eine gemeinsame Wanderung über die Rhön im Jahr 1987 mit all denjenigen, die mitgewandert sind.

27. Juni 2021


Mit den Deutschlandflaggen an den Hausfassaden in unserem Ort ist es wie mit dem FC. Man wird eingetaucht in ein Wechselbad der Gefühle mit ungeahnten Höhenflügen und abgrundtiefen Abstürzen, voller Bangen und Hoffnung, ohne Beständigkeit, zwischen Krise und Bewältigung, zwischen Sieg und Niederlage. Beim FC habe ich mir inzwischen angewohnt, bei entscheidenden Spielen auszuschalten, wegzuhören und gar nicht von den Ergebnissen Kenntnis zu erhalten. Die Enttäuschung kann so am besten überwunden werden. Und wenn dann Wochen später die Sportnachrichten berichtet werden oder wenn die Tabelle eingeblendet wird, dann überwiegen doch die Zeichen der Hoffnung. Beim FC waren auch großartige Spiele dabei, so die Sicherung des Klassenerhaltes im Relegationsrückspiel in Kiel. Nicht unähnlich ist es mit unserer Nationalmannschaft. Beim Spiel gegen Portugal hatte ich lange Zeit weggehört, weil ich das 1:0 im Autoradio mitbekommen hatte und ich das schlimmste befürchtet hatte. Nach dem Schlusspfiff war der Sieg fulminant, und die Zusammenfassung des 4:2-Sieges schaute ich mir in den Tagen danach gleich mehrfach in Youtube an. Groß war daher die Erwartungshaltung vor dem Ungarn-Spiel, doch genau in diesem Spiel vollzogen sich dieselben Wandlungen wie beim FC. Müde und verängstigt, als hätten sie das Fußballspielen verlernt, präsentierten sich die elf Spieler auf dem Platz. All die Begeisterung aus dem Portugal-Spiel war wie weggeblasen, so dass ich bei solch einer Zitterpartie nicht hinsehen konnte. Fußball als Angstzustand, so wie beim FC. Die Verkrampfung sollte sich aus all den Deutschlandflaggen erst kurz vor Schluss lösen. Zwischen Absturz und Weiterkommen. Mit dem einen Tor in der 84. Minuten hatten die Deutschlandflaggen ein wahnsinniges Glück gehabt, dass sie hängen bleiben durften für das Achtelfinale. Ein 2:2 war heraus gekommen, das mit ganz viel Rechenspielerei und dem Ergebnis aus dem anderen Spiel reichte. Ich selbst bin froh, dass der Gegner im Achtelfinale einen großen Namen hat. Ungewiss ist, ob sich die Mannschaft gegen England wieder aufrichten wird. Und ob sie dieses zittrige und verängstigte Gesicht zeigen wird oder das mutige und spielfreudige, so wie gegen Portugal. Womöglich waren auch die Ungarn der falsche Gegner zum falschen Zeitpunkt, der mächtig unterschätzt wurde.

28. Juni 2021


Die Regenbogenfarben, ein Symbol für Toleranz gegenüber Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender. Der Fußball wollte dieses Symbol nutzen, um ein Zeichen zu setzen, ein politisches Zeiten gegenüber dem ungarischen Staatspräsidenten Viktor Orban. Die Ungarn, eine widerwillige und störrische Demokratie. In der EU sind die Ungarn wegen ihrer Flüchtlingspolitik verschrien. Unerwünschte Berichterstattungen in den Medien werden durch die Regierung sanktioniert, zuletzt diskriminierte ein Gesetz die Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgendern. Genau dies sollte der Regenbogen thematisieren, da dies die Farben beim Christopher Street Day waren. Und der Fußball zog die Farben an sich, da die Münchener Allianz Arena, wo der FC Bayern München spielt, 2016 anläßlich des Christopher Street Day erstmals in den Regenbogenfarben erleuchtet worden waren. Dies sollte sich nun wiederholen als Affront gegenüber dem ungarischen Staatspräsidenten Victor Orban mit seinem diskriminierenden Gesetz, wenn die deutsche gegen die ungarische Mannschaft spielen sollte. Doch da kam das Veto der UEFA. Sie war mächtiger war als die den Fußball ausrichtende Stadt München und konnte den Regenbogen verbieten. Der Fußball sollte nicht als politische Bühne genutzt werden, das war die Begründung. Wie bei anderen politischen Themen, waren die Entscheidungsträger eingeknickt gegenüber der sich auflösenden Demokratie in Ungarn. Dabei verlagerte sich das Spielfeld, vom Sportplatz auf die eigene Firma. Über die vierspurige Straße hinweg leuchtet nun der Regenbogen. Das Farbspektrum lenkt die Aufmerksamkeit auf sich, und die Botschaft an Viktor Orban und das ungarische Volk wird nun von anderer Stelle aus abgesandt.

29. Juni 2021


In Zyklen poppt dieses weite Themenfeld auf, wenn Wahlen anstehen. Die Stadt wird dann mit Plakaten zugepflastert, zu denen ich mich schwer tue, eine Botschaft heraus zu lesen. Nichtssagende und oft auch wenig fotogene Gesichter suchen sich anzupreisen, damit man am Wahltag das Kreuzchen an der richtigen Stelle setzt. In Zyklen rückt dann dieses Feld der Politik in den Vordergrund, das ich selbst in den Hintergrund gesetzt habe. Neugierig und heiß bin ich auf Sachthemen, aber die Politik ? Die Phrasen von Politikern haben mich stets abgewiesen, großen Worten sind selten große Taten gefolgt. Es ist ein Feld, auf dem Wichtigtuer und Machtbesessene das Sagen haben. Und schließlich sind manche Themen so schwierig und komplex, dass man sie nicht mehr verstehen kann. Oder es ist so, dass mir der Verstand fehlt, um sie verstehen zu können. So habe ich zwar bei Wahlen mein Kreuz gemacht, aber aus meinen Alltagsgedanken und Tagebüchern habe ich die Politik geflissentlich heraus gelassen. Es bilden sich ohnehin Schwerpunkte heraus, die man beackern möchte. Die Themen müssen passen zu den Interessen und Kenntnissen wie etwa bei den Themenbereichen der Kultur, der Geschichte oder des Zeitgeschehens. Das Fass, das ich bei der Politik aufmachen würde, wäre auch zu groß. Zusammenhänge zur griechischen Philosophie, zu den Denkern der Aufklärung oder auch zur früheren Bundeshauptstadt wären zwar vorhanden, aber bislang habe ich nur selten diese Zusammenhänge thematisiert. Dazu fehlt der Überbau, in dem die Politik keinen nennenswerten Raum einnimmt. Schaut man auf diverse Wahlplakate, dann sind diese so langweilig und einfallslos, dass man kaum Gedankenanstöße daraus generieren kann.

30. Juni 2021


Vor mehreren Wochen war Oberwesel der Ort gewesen, wo ich anfangs ziellos herum lief und später sehr begeistert war. Diese Begeisterung verband ich nun mit einem früheren Museumsbesuch. Die Exponate in Museen mit den umliegenden Landschaften zu verbinden, das war mir selten bis gar nicht gelungen. Dazu fehlte der geistige und gedankliche Überbau, um das Wissen von Museen in ein ganzheitliches Konzept zu integrieren. Museumsbesuche waren daher isolierte Veranstaltungen, um einzelfallbezogen das Wissen zu erweitern. Aufgearbeitet wurden die Lerninhalte kaum. Dabei lag die Verbindung von erlebten Landschaften und der Landschaftsmalerei nahe. Vier Museen in der näheren Umgebung waren reich an Landschaftsmalerei – insbesondere am Rhein: das Siebengebirgsmuseum in Königswinter, das Mittelrheinmuseum in Koblenz, das Museum Wallraf in Köln und das Rheinische Landesmuseum in Bonn. In dem letzteren Museum hatte ich bei einem früheren Besuch ein Gemälde von Oberwesel abfotografiert. 1884 hatte dieses Gemälde Christian Eduard Böttcher gemalt, der in Monschau geboren war und später zum Professor an der Düsseldorfer Kunstakademie ernannt worden war. Im Vordergrund hatte Böttcher die Wernerkapelle gemalt, im Hintergrund thronte die Burg Schönstein auf einem hohen Felsen, gut konnte man die Stadtmauer von Oberwesel erkennen, und der Flußlauf des Rheins gab dem Gemälde die romantische Note, die ab dem 19. Jahrhundert Reisende aus der ganzen Welt in das Mittelrheintal gezogen hatte. Im großen und ganzen war dies die Stadt Oberwesel, wie ich sie selbst erlebt hatte, mit der Begeisterung, die sich während des Besuchs nach einer gewissen Zeit eingestellt hatte.


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