Tagebuch September 2022
1. September 2022
Was für ein Großereignis hier statt gefunden hatte, das dokumentierten die Überreste des Zauns, der den Hofgarten abschirmte. Er legte sich rund um den Hofgarten, und es war quasi unmöglich, von irgend einer Seite den Hofgarten zu betreten. Noch am Vortag war er gespickt mit Telekom-Logos, die man nun entfernt hatte. Das Großereignis hatte einen Namen gehabt, das war Robbie Williams, dessen Auftritt die Stadt auf den Kopf gestellt hatte. Waren die Absperrungen auf dem Kunstrasen oder gar in Hallen weniger spektakulär, so bedurfte es an dieser zentralen Stelle in der Stadt eines solchen umfassenden Zauns. Sein Konzert muss großartig gewesen sein, so zumindest die Berichte in der Zeitung, im Radio und in anderen Massenmedien. Gleichwohl entspricht Robbie Williams nur begrenzt meinem Musikgeschmack, weil ich seine weich daher gehauchten Stücke durchaus gerne höre, aber nicht durchgängig, da es nur diese weiche Machart ist. Es fehlt die Abwechslung und der andersartige Stil. In wenigen Tagen freute ich mich vielmehr auf Manfred Mann’s Earth Band, die voll meinen Musikgeschmack treffen. Einstweilen verbarg der Zaun die Hinterlassenschaften des Großereignisses, was belegte, dass Kultur in der früheren Bundeshauptstadt einen hohen Stellenwert genoss.
2. September 2022
Frühstück mit einem Freund im Café Hafenschlösschen im Nachbarort. Wir redeten unter anderem über das Neun-Euro-Ticket, über frühere Bekannte und über gemeinsame Unternehmungen. Unser Freund verabredete sich gerne über Whatsapp-Gruppen, die sich über ganz Deutschland verteilt trafen. Zu diesen Treffen hatte er gerne das Neun-Euro-Ticket genutzt, das Auto hatte er hingegen stehen lassen, wenn die Entfernung nicht gerade zu groß war oder die Treffpunkte zu entlegen in ländlichen Bereichen lagen. Deshalb hatte er überlegt, unser gemeinsames Frühstück womöglich zu verschieben, weil er sich am Vortag mit Freunden in Gießen traf. Gießen war zwar grundsätzlich gut mit der Bahn zu erreichen, das Treffen dauerte aber bis gegen 22 Uhr, was ihm zu spät war, um den Zug zu nehmen. Er hatte überlegt, dort zu übernachten, schließlich war er doch mit dem Auto dorthin gefahren, so konnte er denn mit uns an diesem Morgen frühstücken. Wir erzählten von unserer Bahnfahrt mit dem Neu-Euro-Ticket nach Koblenz, dass der Zug auf der Hinfahrt dermaßen rappelvoll war, dass wir erst im hinteren Zugteil zusammen gequetscht einen Stehplatz ergattern konnten. Auf der Rückfahrt von Koblenz nach Bonn war der Zug dann deutlich weniger voll, ebenso verlief eine andere Fahrt nach Essen entspannt. Solche Erfahrungen wie wir nach Koblenz hatte er nicht gemacht, er war allerdings oft werktags und nicht am Wochenende unterwegs gewesen. Er erzählte, dass er an dem Wochenende davor mit seiner Mama mit dem Auto in Thüringen gewesen war, die dort Verwandtschaft hatte. Sie war mittlerweile über 80 Jahre alt, mit dem Rollator unterwegs, aber für einen solchen Verwandtschaftsbesuch war sie grundsätzlich noch ziemlich mobil. Als gemeinsame Unternehmung nahmen wir einen Theaterbesuch im Contra Kreis Theater ins Visier, wo im November und Dezember ein Theaterstück mit Hugo Egon Balder und Jochen Busse aufgeführt wurde. Um die Mittagszeit trennten wir uns nach dem Frühstück, und wir hatten uns ganz viel zu erzählen gehabt.
3. September 2022
Im Zug, auf der Fahrt nach Euskirchen, spürte ich, wie ein innerlicher Hebel umgelegt worden war. Die sogenannte Zeitenwende war auch bei uns angekommen. Seit dem Ukraine-Krieg waren die Spritpreise in die Höhe geschossen, Fahrten mit dem Auto sollten auf öffentliche Verkehrsmittel verlagert werden, was einerseits den Geldbeutel schonte und andererseits gut für die Klimabilanz war. So verfolgte ich die Zugfahrt durch das Messdorfer Feld aus einer ganz anderen Perspektive. Die Zugfahrt war im Job-Ticket enthalten, ich reduzierte Kohlendioxid-Ausstoß, die Fahrtzeit über den Bonner Hauptbahnhof nach Euskirchen dauerte aber länger. Anderthalb Stunden Zugfahrt gegenüber einer Stunde Autofahrt, das sollte sich gerade bei der Rückfahrt auswirken, wenn ich erst gegen Mitternacht zurückkehren würde. Ich genoss es aber auch, die Landschaft in Ruhe vom Zugfenster aus betrachten zu können und die Gedanken kreisen zu lassen. Blendete man einmal das Dauerproblem der Pünktlichkeit aus, so hatte das Zugfahren etwas für sich. Die innere Wahrnehmung war anders geworden, mit dem Zugfahren etwas zu bewirken. Die Mobilität war nicht ganz so frei wie beim Autofahren, aber die Qualität der Erlebens drang in tiefere Dimensionen ein. Beim Autofahren rauschte die Landschaft vorbei, bei der Zugfahrt konnte man sich auf die Landschaft konzentrieren, die Kombination von Zugfahrt und Fahrradfahrt war vom Prinzip her ideal. Auf der Rückfahrt von Euskirchen war ich dann fast alleine im Zug. Einerseits war ein solcher Halbstundentakt am späten Sonntagabend nötig, damit Autofahrer zur Bahn wechselten. Andererseits beschrieb dies den Druckpunkt, wo es bei der Wirtschaftlichkeit hakte. Der Straßenbau hatte über Gelder, die über die Mineralölsteuer abgezweigt wurden, sein eigenes Geschäftsmodell. Beim öffentlichen Personennahverkehr fehlte dieses Geschäftsmodell, weil stets von irgendwo etwas bezuschusst werden musste. Der Klimawandel belegte allerdings, dass der Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs alternativlos war.
4. September 2022
Kleine Halle, Blickkontakt zur Bühne, Musiker zum Anfassen. Dem Konzert von Manfred Mann’s Earth Band hatte ich entgegen gefiebert, die Musikgruppe, von denen ich mehrere Vinylplatten besessen hatte. Die LPs „Solar Fire“ und „Nightingales & Bombers“ hatte ich früher rauf und runter gehört, ich zählte sie zu dem besten, was an Konzeptalben jemals heraus gebracht worden war, aber auch die anderen LPs waren Spitzenklasse. Nun also spielten Manfred Mann’s Earth Band live im Stadttheater Euskirchen, wo ich in der dritten Reihe auf Tuchfühlung gehen wollte mit dem Schlagzeuger John Lingwood, dem Gitarristen Mick Rogers, dem Bassisten Steve Kinch, dem Sänger Robert Hart und natürlich dem geistigen Kopf der Band, Manfred Mann. Die ersten Töne wirbelten laut und hammerhart in der kleinen Halle, daran mussten sich die Ohren erst gewöhnen. Es sollte nicht lange dauern, bis das typische Synthesizer-Spiel zum dominierenden Element des Musikstils werden sollte. Ein improvisierter Stil, der anfangs eine Melodie formte, dann wilde Rhythmen setzte, ein Stil, der die Melodie auseinander trieb und die Stücke bisweilen in die Länge zog. Manfred Mann war ein Genie seines Fachs, aber auch das Gitarrenspiel eines Mick Rogers war nicht weniger genial. Die Glanzstücke, die mir am besten gefielen, waren „Martha’s Madman“ und „Father of Day, Father of Night“. Lange Passagen prägten mit ihren Improvisationen diese Stücke, dessen Hörgenuss locker mehr als zehn Minuten dauerte. Drei Stücke, die gut gemacht waren, kannte ich nicht, der Rest war mir von den früheren LPs bestens bekannt. Bei wenigen Stücken gefiel mir nicht, wie der Sänger in ein schnulzenhaftes Niveau von Liebesliedern wechselte („You Angel You“), er gab sich aber publikumsnah und ging in die ersten Reihen des Theatersaals hinein. Die meisten Stücke stammten von der LP „Angel Station“ („You Angel You“, „I came für you“, „Don’t kill it Carol“), die reichlich durchdrungen waren mit dem typischen Synthesizer-Sound. Zum Schluss hin durften die bekanntesten Stücke nicht fehlen. „Blinded by the Light“, „Davy’s on the Rpad again“ und als Zugabe “Mighty Quinn” brachten den Saal zum Kochen. Die Menge stand nur noch und klatschte mit. Die Begeisterung steckte an und alle sangen mit. Mit ausholenden Pausen, in denen der Sound der Instrumente in leiseste Töne zurückgefahren wurde, spornten die Musiker die Zuhörer an, mit zu singen und mit zu klatschen. Nach einer Stunde und 45 Minuten war dieses Musikspektakel vorbei, wozu ich eigens nach Euskirchen gefahren war. Das Konzert hatte sich gelohnt und ich werde bestimmt Ausschau halten, wann wo Konzerte in einer ähnlichen Qualität statt finden werden.
5. September 2022
Bisweilen muss ich mir eingestehen, dass die Inhalte des Tagebuchs oberflächlich sind. So ungefähr wie im Stil von Facebook, schöne Fotos zu posten, der Text ist Mangelware, um ein Maximum an Likes zurück zu erhalten. Gewiss, der Alltag ist nicht nur eine triste Angelegenheit voller Beschwerlichkeiten und erschreckenden Szenen, man sollte aber nicht die Augen verschließen. Man sollte nicht wegschauen, was um sich vorgeht. So muss man glauben, dass so manche Absender von Posts in Facebook in einem realitätsfremden Kosmos leben müssen. Heute Morgen, in den Sonntagsfragen in WDR2, war der Meteorologe Sven Plöger bei Gisela Steinhauer zu Gast. Es ging um den Klimawandel, um Kipppunkte beim Wetter, dass der Temperaturanstieg in ein exponentielles Wachstum übergeht, und es ging darum, dass unsere Erde für nachfolgende Generationen noch bewohnbar sein sollte. Dieser ausgetrocknete und unansehnliche Zustand der Natur eignet sich weniger, um schöne Fotos in Facebook zu posten. Das Tempo, in dem Gletscher abschmelzen, die Pole schmelzen oder Korallenriffe zerstört werden, ist atemberauend. Sven Plöger machte eine Rechnung, dass die Entwicklung der Temperaturdifferenz in eine Richtung gehe, wie es bei der Eiszeit der Fall gewesen sei, allerdings in die umgekehrte Richtung, Hitze anstatt Kälte. Er wolle keine apokalyptischen Visionen herauf beschwören, aber es sei dringendste Zeit zum Handeln, und der Menschheit würden die Mittel fehlen, diejenigen zu bestrafen, die dafür verantwortlich seien. Die Bilder einer ausgedörrten Erde würden in den Köpfen zur Gewohnheit. Hungersnöte waren in Europa noch ganz weit entfernt, die Versorgung mit den Grundnahrungsmitteln war sicher gestellt. Allenfalls stieg der Unmut, wenn die Preise für Sonnenblumenöl oder Weizenmehl stiegen. Die Preisexplosionen bei Gas waren dann eine ganz andere Nummer.
6. September 2022
Dieses Schuljahr wird für unsere Tochter ein besonderes sein, da es das letzte auf der Realschule sein wird. Sie ist nun in der Abschlussklasse angekommen, und der ganze Terminplan wird sehr gedrängt sein. Außer dass sie den Realschulabschluss schafft, werden die Hauptaktivitäten dahin gehen, eine Ausbildungsstelle (oder vielleicht auch Schulausbildung) zu finden. Um Ausbildungsplätze zu finden, dazu hat die Schule gleich mehrere Teilnahmen an Ausbildungsbörsen organisiert. Heute fand im Brückenforum die Ausbildungsmesse „Vocatium“ statt, wo ich dann sogleich eine ganze Reihe von Schülern in Gruppen oder Grüppchen hinaus schreiten sah, als ich mit dem Fahrrad ins Büro über die Kennedybrücke fuhr. Theoretisch hätte unsere Tochter unter diesen Schülern dabei sein können, da ihre Schulklasse in einem Zeitfenster bis 10.20 Uhr dort war. Polizei, Bundeswehr und auch Arbeitgeber, die Lehrstellen in medizinischen Berufen anboten, stellten sich dort vor. Angeblich, so die Aussage der Klassenlehrerin, hätte es in den vergangenen Jahren, Fälle gegeben, dass der Besuch dieser Ausbildungsmesse direkt zu einer Lehrstelle geführt hätte. Wenn ich auf die Schulnoten unserer Tochter schaue, bin ich nicht ganz so optimistisch, ich drücke ich aber dennoch die Daumen !
7. September 2022
Das Erscheinungsbild der Dame mit Kopftuch war mir nicht ganz geheuer. Ganz eingehüllt in einem Ganzkörper-Anzug aus Plastik, als Schutzanzug gegen Corona, kam das Kopftuch dazu, welches den Zustand der Verhüllung noch stigmatisierte. Inwieweit mich Kopftuch tragende Frauen abstießen, das hing bei mir davon ab, ob das Gesicht frei von einer Verhüllung war oder ob Kleidungsstücke einer Ganzkörperverhüllung wie der Tschador getragen wurden. Nach längerer Zeit benötigte ich einen Corona-Test, und die Frau im Testzentrum trug nur das Kopftuch und nichts weiteres Verhüllendes. Beim Ablauf des Corona-Tests war ich verblüfft, welche wenigen Angaben sie benötigte. Das war der Personalausweis – und nichts weiter. Als ich sie nach einem Kennwort befragte und dass ich ihr keine E-Mail-Adresse mitgeteilt hätte, meinte sie nur, ich solle zehn Minuten warten, dann bekäme ich das Ergebnis ausgedruckt. So war es denn auch. Ich wartete die zehn Minuten, dann händigte mir sie das negative Testergebnis aus und stellte keine weiteren Fragen. Keine Fragen, wieso, aus welchem Anlass und inwieweit die Gebühr von 3 Euro zu zahlen waren oder nicht. Auf dem Negativtest standen meine persönlichen Daten aus dem Personalausweis, und damit hatte sie dieses Stück Papier erstellt, das ich benötigte. Ein unkompliziertes und unbürokratisches Vorgehen der Dame mit Kopftuch.
8. September 2022
Es war die erste Ganztagesveranstaltung nach Ausbruch von Corona. Unsere Abteilung war reorganisiert worden, und alle Mitarbeiter tagten in ihren neuen Organisationsbezeichnungen, wobei sich bei vielen Mitarbeitern die Aufgaben nicht wirklich geändert hatten, so auch in unserem Team. Ein paar neue Kollegen hatten wir dazubekommen, und wichtig war für alle, bekannte Gesichter in den Tagungsräumen es GSI (Gustav-Stresemann-Institut) persönlich wieder zu treffen. Während Corona wurde ganz viel im Home Office gearbeitet, man redete über WebEx-Meetings und Telefonkonferenzen miteinander, persönliche Kontakte fanden allenfalls in den Büroräumen statt, wenn man sich denn dorthin begab. So war die Sehnsucht bei allen Mitarbeitern nach einer solchen Präsenzveranstaltung groß, und dementsprechend groß war die Wiedersehensfreude und der Bedarf nach persönlichem Austausch von Informationen und persönlichen Dingen. Als Maßnahme zur Teambildung, wozu die Veranstaltung angedacht war, hatten sich das Veranstaltungsteam das Bauen mit Lego ausgesucht. Es wurden acht Teams gebildet, die einen T-Shop aus Lego bauen sollten. Dieser T-Shop sollte möglichst viele Telekom-spezifische Elemente enthalten. So baute unser Team fleißig drauf los. Da keine Bodenplatte vorhanden war und zu wenige Lego-Steine für die Wände, bauten wir die Umrisse mit niedrigen Mauern, in den Innenräumen wurden unsere Produkte vermarktet. Über den Mauerumrissen erhob sich das Telekom-Logo. In den Innenräumen markierte ein Bildschirm unser Produkt Magenta-TV, Roboter begrüßten die Kunden und fragten deren Kundenwünsche ab, in einer Beratungsecke wurden die Kunden dann von einem Mitarbeiter beraten. In einem Service Desk halfen Mitarbeiter die Kunden bei Störungen zu Endgeräten oder Routern. Nachhaltigkeit wurde in dem T-Shop groß geschrieben. Aus einem eigenen Windrad wurde Strom produziert, mit diesem Windrad wurde ein E-Auto gespeist. Dieses kam zum Einsatz, wenn das Service Desk dem Kunden nicht weiter helfen konnte. Dann fuhr der Service-Techniker zum Kunden und behob vor Ort sein Problem. Andere Teams hatten weitere grandiose Einfälle. Jedes Team musste seinen T-Shop aus Lego präsentieren, was per Handy gefilmt wurde. Ein Team spielte eine Szene, wie zwei unserer Kollegen zu ihrem T-Shop aus Lego schritten und die Vorzüge des Glasfaserausbaus beschrieben. Ein anderes Team hatte einen Flaggschiff-T-Shop gebaut, und zwar in der Form eines Schiffsrumpfes. Wir alle hatten unsere helle Freude bei der Präsentation der T-Shops, welcher Einfallsreichtum und welchen Erfindergeist die einzelnen Teams hatten. Bei der Abendveranstaltung wurden die besten T-Shops aus Lego prämiert, und die Gewinner durften sich über jede Menge Haribo in einer großen Papiertüte freuen.
9. September 2022
Zum Ausklang des Abends ließ es der Arbeitgeber krachen. In früheren Tagungen war es nicht unüblich, in einen geselligen Teil des Abends überzugehen. Mal war die Geselligkeit jedem selbst überlassen, in Gruppen zusammen zu bleiben und einen oder mehrere Gläser zu trinken. Mal war es auch der Arbeitgeber, der die Geselligkeit organisierte, Speis und Trank spendierte und alle zusammen rief. So auch an diesem Abend. Der Arbeitgeber hatte ein Küchenstudio gebucht, wo man sich selbst kochend betätigen konnte, koordiniert von professionellen Köchen. Draußen reihten sich an die sechs, sieben, acht leistungsfähige Grillgeräte aneinander, und auf all den Grillgeräten landeten vegetarische Spieße, Kräuterbaguette, Roastbeef, Rippchen, Hähnchenschenkel und einiges mehr. Die Getränke waren für alle frei, so dass der Alkohol in großen Mengen die durstigen Kehlen hinunter fließen konnte. Heiter und ausgelassen war die Stimmung, und unter der Menge von Kollegen, die ich kannte, wechselte ich häufig meine Sitz- und Tischnachbarn. Ich war überglücklich, Kollegen, die ich lange Zeit nicht gesehen hatte, wieder zu sehen. Ich war aber auch glücklich, Kollegen, mit denen ich häufiger zu tun hatte, zu sehen. Allenthalben war die Wiedersehensfreude groß. Corona hatte uns so einiges geraubt. Es ging nichts über persönliche Kontakte von einem Menschen zum anderen Menschen.
10. September 2022
Als wir den Treppenaufgang zu unserem Tagungsraum suchten, hing ein vertrauter und bekannter Name an der Wand, den ich dennoch einordnen musste. Den Treppenaufgang fanden wir nicht im Gustav-Stresemann-Institut, so dass wir uns rückwärts orientieren mussten, der Name des Aristide Briand blieb allerdings in mir haften und erweckte meine Neugierde. Mit großem Interesse hatte ich das Buch von Herfried Münkler „Der große Krieg“ über den Ersten Weltkrieg gelesen, und dort war er einer der zentralen Figuren gewesen. Vor allem vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges waren die Bemühungen der Diplomatie bisweilen hektisch und unkoordiniert, nur um den Frieden zu wahren und einen Kriegsausbruch zu verhindern. Die Kontakte zwischen dem habsburgischen Außenminister Berchtold, dem Engländer Grey, dem Deutschen Kiderlen-Wächter, dem Russen Sasonow und dem Franzosen Briand waren im Endeffekt vergeblich, weil die Strategie den militärischen Kriegsführern überlassen wurde. Gustav Stresemann und Aristide Briand erschienen später, 1926, auf der politischen Bühne gemeinsam, als der Vertrag von Locarno geschlossen wurde. Dieser Vertrag befasste sich mit den Kriegsparteien an der Westfront im Ersten Weltkrieg, Frankreich, England, Belgien, Deutschland. Diese Nationen verzichteten auf eine gewaltsame Veränderung der Grenzen, die im Vertrag von Versailles festgelegt worden waren. An diesem Vertrag wirkten Gustav Stresemann und Aristide Briand maßgeblich mit, wofür sie später auch den Friedensnobelpreis erhielten. Das Bild im Flur des Gustav-Stresemann-Institutes beschrieb das Schaffen des Politikers Aristide Briand, das weit über den Ersten Weltkrieg hinaus ging. Er war sicherlich ein großer Politiker, weil er in Kriegszeiten zum Überleben Frankreichs beigetragen hatte. Frankreich hatte überlebt, indem es gemeinsam mit den Alliierten den Erzfeind Deutschland zurück geschlagen hatte.
11. September 2022
Wie sich, lange ersehnt, die Zeiten doch ändern können. Nachdem die Trockenheit monatelang angedauert hatte und nachdem das abendliche Gießen einem sämtliche Energie genommen hatte, kam in der Nacht des letzten Dienstag dann doch der große Regen, als es in einem Gewitter die halbe Nacht durch schüttete. Dieser Regen sollte keine Eintagsfliege sein. In den nachfolgenden Tagen regnete es mal mehr, mal weniger. Heute, bei den Wocheneinkäufen, gönnte uns der Regen ein besonderes Schauspiel. Als wir aus dem Supermarkt zum Auto zurück kehrten, war es die Gleichzeitigkeit von Regen und Sonnenschein, die einen Regenbogen über den düsteren Regenwolken hervor zauberte. Das Farbspektrum leuchtete in seinen hellen Farben, und der Halbkreis schloss sich über den Weiten des Parkplatzes, während die Nässe von oben nicht nachließ. Als wir unsere Einkäufe im Kofferraum verstauten, durchnässte uns der Regen, während der Sonnenschein neue Wärme spendete. Lange, sehr lange hielt der Regenbogen durch, bis die Sonnenstrahlen seine Farben auflöste in seinem Charme des Vergänglichen, der sehr lange Augenblicke verschönert hatte.
12. September 2022
Nunmehr sieht es in der Ecke zwischen Couchsessel und Fernseher wieder halbwegs erträglich aus. Durch meine Frau, die die jährliche Einnahme- Ausgaberechnung des Schwagers für das Amtsgericht erstellte, hatte ich mich angespornt gefühlt, ebenfalls einen Papierkrieg zu betreiben. Vor diesem Papierkrieg, der die Steuern betraf, hatte ich mich lange Zeit gescheut. In diesem Jahr nervte es mich allzu sehr, mich abends mit solch einer leblosen Materie wie den Steuern zu befassen. Keine Belege waren für die Steuern sortiert, so dass ich zuerst alles, was sich an eingegangener Post angesammelt hatte, abheften musste. Das war jede Masse, da ich seit Januar/Februar diesen Jahres alle Post in irgendwelchen Häufchen angehäuft hatte. So schichtete ich Häufchen für Häufchen neu auf, die Papierberge wuchsen, um in die dazugehörigen Ordner abgeheftet zu werden. Nicht alles war in den Aktenordnern sauber und chronologisch angeheftet, den Aktenordner für die Nebenkosten konnte ich sogar nicht finden, doch Schriftstück für Schriftstück fand seinen Weg in die entsprechende Rubrik. Leere Umschläge und Unnützes entsorgte ich, und so allmählich nährte ich mich einer Ordnung, die man halbwegs so nennen konnte. Die Belege für die Steuern habe ich nun parat, und diverse Häufchen von Papier sind nun verschwunden.
13. September 2022
War ich vor einigen Monaten noch äußerst skeptisch, so hat sich nun meine Meinung gedreht. Ich muss zugeben, dass andere Meinungen meine eigene bestimmen, dass kluge Köpfe mich beeinflussen und dass ich nicht immer selbst die Dinge mit meinem eigenen Verstandesurteil durchdringe. So bei den Meinungen eines Richard David Precht und eines Markus Lanz. Sie urteilten, dass die Ukraine den Krieg nicht gewinnen könne. Irgendwann würde die Ukraine zerschlagen werden in eine bedeutungslose Rest-Ukraine und einen russischen Diktat-Frieden aufgezwungen bekommen. Davon sind wir angesichts der aktuellen Entwicklungen weit entfernt. Mit den ukrainischen Rückeroberungen könnte man sogar optimistisch sein, dass sich Europa den russischen Eroberungsdrang vorerst vom Leib halten kann. Russland hat sowohl Angst vor der NATO, es wird seine Kriegsziele nicht erreichen und wir könnten sogar hoffen, dass sich Russland mit seiner Diktatur irgend wann von innen umstürzt. Das gibt alles Anlass zur Hoffnung, im Gegensatz zu dem Szenario von Precht und Lanz, dass Russland sich fest beißt, nicht weiter kommt in der Ukraine und irgendwann seine Kriegspläne begraben muss. Das verschafft etwas Ruhe, dass wir uns mit einem russischen Krieg gegen NATO-Länder wie Estland, Lettland, Litauen nicht befassen müssen. Der Einsatz von Atomwaffen wird unwahrscheinlicher, Länder wie Deutschland dürften vorerst nicht bedroht sein. Hoffen wir, dass uns der Krieg nicht weiter davon abhalten wird, uns mit den drängenderen Problemen der Menschheit zu befassen.
14. September 2022
Es ist nicht nur wegen des Befreiungsschlages der Ukraine, dass der Druck in den letzten Tagen und Wochen geschwunden ist. Der Alltag ist in ruhigere Bahnen gelenkt, so läßt es sich am Arbeitsplatz sortierter und strukturierter arbeiten, vor allem: es ist ruhiger geworden, was abzuarbeiten ist, es ist in der üblichen Arbeitszeit gut zu schaffen. Unser Team hat sich vergrößert, und so manche Abläufe haben sich eingespielt. Dazu kommt, dass all die Hitzewellen des Sommers vorbei sind. Auch der Regen befreit bei gemäßigteren Temperaturen. Die Fahrt ins Büro – heute wegen des Regens mit dem Bus – läßt Freiräume, um heute Morgen diesmal in einem anderen Café einen Kaffee zu trinken. Der Blick kann schweifen in der Weite des Cafés. Vor der Büroarbeit lösen sich die Gedanken, der Kopf wird frei. Ich schaue nach draußen auf das wahrhaft befreiende Regenwetter. Der Regen plätschert ordentlich dahin, gleich werde ich wieder nass werden, wenn ich zur Straßenbahnhaltestelle schreite. Der Autoverkehr zwängt sich über die eine Fahrspur, die Straßenbahn rattert in der Fahrbahnmitte dahin, das Gestänge der Oberleitung hängt starr in der Luft. Über die breite Busspur tuckert ab und an gemächlich ein Bus. Dunkle Gestalten in dunklen Jacken und mit dichten Bärten schreiten auf dem Bürgersteig dahin. Die Stadt ist längst erwacht, während andere Besucher des Cafés vor ihrem Kaffee ihre Gedanken ausbreiten.
15. September 2022
Autofahren wird zum Luxusgut, dafür sorgen nicht nur die hohen Spritpreise. Dabei sind die Effekte, durch eine Verlagerung zum öffentlichen Personennahverkehr den CO2-Ausstoß zu reduzieren, einerseits wünschenswert, andererseits steigt dann doch der Schmerz, wenn es allzu sehr an den eigenen Geldbeutel geht. Mit 180.000 Kilometern ist unser VW Golf sehr gut gelaufen, und die letzte Inspektion in den Sommerferien hatte eine sehr lange Mängelliste zu Tage gefördert, die so lang war, dass sie in einem eigenen Termin abgearbeitet werden musste. Radlager waren zu erneuern, Bremsen ebenso, neue Reifen waren fällig, die Ölwanne war undicht. Die Mängel zu beheben, um den TÜV im November sicherzustellen, das kostete stolze 1.575 Euro. Verschleiss und Reparaturen steigen sicherlich mit zunehmender Nutzung des PKW, man hätte auch überlegen können, ob man solch eine Summe überhaupt noch in ein so viel gefahrenes Auto hinein steckt. Es schien dennoch der einfachere Weg als dass wir uns nach einem neuen Gebrauchten umschaut hätten. Autofahren als Luxusgut ? 1.575 Euro sind ganz schön happig. An der einen oder anderen Ecke hätten wir sicherlich stärker den öffentlichen Personennahverkehr nutzen können, wäre dies die Alternative gewesen ? Der Klimawandel wird uns weiter vor sich hertreiben, e-Autos könnten eine Variante sein, viel Fahrradfahren ebenso. Im Ballungsraum zwischen den Großstädten haben wir wenigstens die Alternativen des öffentlichen Personennahverkehrs. Aber diejenigen Menschen, die auf dem Land wohnen, sind längst in eine Zwickmühle hinein geraten, weil sie abhängig sind vom Auto.
16. September 2022
Die unternehmerische Fehlentscheidung war krass, den real-Supermarkt im HUMA-Einkaufszentrum zu schließen. Oft haben wir dort unsere Wocheneinkäufe getätigt, die Konzeption als Warenhaus haben wir geschätzt, außer Lebensmitteln zum Beispiel Bettwäsche, Anziehsachen oder Spielsachen dort einkaufen zu können. Es gab nichts, was dort nicht erhältlich war, Payback-Punkte konnten wir dort sammeln, und das Ambiente von Modeläden, einer Buchhandlung oder Imbissen war einfach ideal. Das real-Warenhaus, als Mittelpunkt des Einkaufszentrums konzipiert, hinterläßt nun eine klaffende Lücke. Lebensmittel soll man künftig bei EDEKA und ALDI einkaufen, welche die Fläche des bisherigen real-Marktes beziehen sollen, aber erst im nächsten Jahr und auch nur auf einer Etage. Wie gestaltet sich dann das Einkaufszentrum ? Die Zahlenknechte, die die real-Märkte kaputt gerechnet haben, wird man nicht verstehen. Ich bin überzeugt, dass das Loch, das sie hinterlassen haben, einen Sog nach sich ziehen wird. Eine Abwärtsspirale wird in Gang kommen, wenn das Einkaufen dort für uns unattraktiv sein wird. Für andere Kunden werden die Einkäufe dort genauso wenig attraktiv sein, weil die Regelmäßigkeit der Wocheneinkäufe wegfällt. Schon heute ist es mir vorgekommen, als hätten die mit Simulationen kaschierten Leerstände zugenommen. Man schreitet an Läden vorbei, die keine sind, es wird einem aber vorgegaukelt, es seien dort welche. Es ist mehr Schein als Einkaufszentrum, mehr Fehlplanung als Konzept auf einem riesigen Areal zwischen den zugebauten Feldern von St. Augustin. Was einst gelungen war, wird künftig den Bach hinunter gehen.
17. September 2022
Als Steuerzahler ärgere ich mich darüber, wenn Steuergelder zum Fenster hinaus geworfen werden. Was der Staat einkassiert und für unsinnige Bauprojekte, für die Kölner Oper oder die Bonner Beethovenhalle oder für was auch immer verwendet beziehungsweise verschwendet. Hilflos agiert der Staat, wenn es um Bauten und Plätze im Stil der 1970er Jahre geht. Hilflos, weil diese Bauten und Plätze gesichtslos, platt und identitätslos aussehen und hilflos, weil die Veränderungsmomente, solche Bauten und Plätze aufzuhübschen, in der Realität gering sind. Das Zentrum von St. Augustin ist eine solche Retortenstadt, die wie wild aus dem Boden gestampft worden ist. Das kann man niemandem vorwerfen, weil es an dieser Stelle, zu weit weg vom Kloster, nicht altes und gewachsenes gegeben hat. St. Augustin ist in seinem Zentrum neu und nie hübsch gewesen. Wieso soll man jetzt versuchen, Neues durch Neues zu ersetzen und die eine Pflasterform durch eine etwas andere Pflasterform ? Der Staat reagiert da hilflos, und ich frage mich, wer diesen Aktionismus angetrieben hat, was der Steuerzahler bezahlen soll. Hinter dem Bauzaun wird nun mächtig gebuddelt, ausgehoben und gebaut. Deutschland, Land der Baustellen. An dieser Stelle dürfte einer derjenigen Baustellen existieren, die genauso hätte vermieden werden können.
18. September 2022
Unser Kätzchen Tiger-Lilly hat sich inzwischen gut eingelebt. Sie frißt so ziemlich alle Sorten Katzenfutter, die Benutzung der Katzentoilette klappt einwandfrei, und zuletzt hat sie so einiges über zwei Kilogramm zugenommen. Wie ein Wirbelwind fetzt unser Kätzchen, das nun etwa drei Monate alt ist, durch unser Haus und produziert dabei allerhand Unsinn. Es gelingt ihr, senkrecht die Wände hoch zu laufen, und gerne hakt sie sich in den Gardinen fest. Sie liebt es, sich In den kleinsten Ecken zu verkriechen, und sie turnt auf unserem Wohnzimmerschrank. Besonders gerne spielt sie mit Haargummis und kaut mit den Zähnen darauf herum. Wenn wir frühstücken, springt sie auf den Esstisch und wartet geduldig auf ihre Kondensmilch, die wir ihr auf einer Untertasse geben. Deutlich weniger Geduld zeigt sie bei den anderen Mahlzeiten, wenn sich unsere vier Katzen in der Küche versammeln und auf ihr Katzenfutter warten. Dann springt sie, wenn ich das Nassfutter aus der Verpackung hole, auf die Küchenanrichte und will das Katzenfutter vor den drei anderen Katzen aus ihrem Fressnapf verspeisen. Dass sich die drei anderen Katzen mit ihr gegenseitig anfauchen, das ist deutlich weniger geworden, nun beschnuppern und belecken sie sich gegenseitig. Bisweilen ist unser Kätzchen sogar frech, wenn sie in einem Satz auf unseren etwas molligen Kater Rambo springt. Dieser zieht sich dann zurück, sucht eine Ecke auf und legt sich auf den Boden. Eine Entwurmung hat sie hinter sich, und in der letzten Woche ist sie geimpft worden. Momentan ist sie dabei, vom obersten Stockwerk bis ganz unten in den Keller die Ecken und Nischen unseres Hauses zu erkunden. Wir werden bestimmt noch sehr viel Freude mit unserem Kätzchen Tiger-Lilly haben.
19. September 2022
Als wir die Telefonrechnungen einsahen, welche Rechnungsbeträge der Schwager für seinen Telekom-Anschluss bezahlte, und als wir den Einzelverbindungsnachweis sichteten, ärgerten wir uns massiv über seine Betreuung. An die vierzig Euro zahlte er monatlich, davon waren rund vier Euro Verbindungsentgelte, die nicht durch seine Flatrate abgedeckt waren. Wir wussten, dass in Einzelfällen sein Zimmernachbar mit seinem Telefon telefonierte, und zuletzt hatte der Schwager geäußert, es sei vorgekommen, dass die Betreuer seinen Anschluss als „Hausanschluss“ benutzt hätten. Als wir die angerufenen Rufnummern im Einzelverbindungsnachweis recherchierten, war dies tatsächlich so. Eine Handynummer einer Betreuerin war mehrfach angerufen worden, und der Schwager musste dafür bezahlen, da nicht abgedeckt durch die Flatrate. Dies wollte meine Frau mit der vorgesetzten Betreuerin ausregeln, dass alle Betreuer ihr Mobiltelefon besäßen und dass Anrufe von dort aus getätigt werden sollte. Bei dem Anschluss des Schwagers handele es sich um keinen Hausanschluss, der nach Belieben von den Betreuern benutzt werden könne. Bei dieser Gelegenheit diskutierten wir, dass die Initiativen der Betreuer zu eng abgegrenzt waren. Sie gingen einkaufen, halfen beim Wäsche waschen, putzten – das war es. Nach dem Ende der Sommerhitze war ein Glastisch, den wir neu gekauft hatten, ständig nassgeregnet auf der Terrasse. Ein Elektrogrill, der aus der WG-Kasse bezahlt worden war und einmal benutzt worden war, stand mit gewissen Restspuren von Schmutz noch an seiner selben Stelle. In der Küche war der Esstisch für eine größere Anzahl von Personen ausgeklappt worden, und niemand war auf die Idee gekommen, für die kleinere Anzahl von Personen ihn wieder zusammen zu klappen. Zum Ausfüllen der Ritzen zwischen dem Verbundpflaster war vor der Eingangstüre noch ein kleines Häufchen von Schotter übrig geblieben, worin eine Katze ihr Geschäft erledigt hatte. Monatelang lag dar Haufen in dem Häufchen Schotter, und auch dort kam niemand auf die Idee, die Hinterlassenschaften der Katze zu entsorgen. Wir stellten fest, dass den Betreuern die Eigeninitiative fehlte, auf die Dinge zu schauen, was über die fest abgesteckten Aufgaben hinaus zu erledigen war und was alles zum Umfeld des Wohnens in der Dreier-WG gehörte. Außerdem war die Fluktuation groß, die Behinderten mussten sich immer wieder auf neue Ansprechpartner einstellen. Einiges funktionierte, einiges wiederum nicht. Die Dinge liefen nicht wirklich rund.
20. September 2022
Der Übergang von den sommerlich heißen zu den – vielleicht – herbstlich kühlen Temperaturen kam dann doch reichlich unerwartet. Letzten Montag war es noch heiß bis an die dreißig Grad, danach schüttete und regnete es, wie wir es uns über den ganzen Sommer gewünscht hätten. Kontinuierlich schwand die Wärme jeden Tag, bis es letzten Sonntag nach dem großen Regen ganz schön abgekühlt war. Nachts klarte es auf, die Luft wurde morgens frischer und frischer, und heute kam der Nebel dazu. Heute Morgen, vor der Fahrt mit dem Rennrad ins Büro, zog ich die kurze Fahrradhose an, dazu ein Fahrradoberteil mit langem Arm und einem langärmeligen T-Shirt darunter. Doch dies fühlte sich viel zu kalt an, als ich mein Rennrad aus der Garage heraus stellte. Ich fror, ohne auf dem Fahrrad zu sitzen. Um dem Kälteschock auf dem Fahrrad zu entkommen, zog ich eine lange Fahrradhose an, außerdem holte ich meine Handschuhe aus dem Wandschrank. Das war auch notwendig, denn ich fröstelte ganz schön auf den ersten Metern. Der Nebel und die Feuchtigkeit in der Luft verstärkten den Effekt: feinste Tröpfchen benetzten die Kleidung, eine starre Kälte ergriff Nasen, Ohren und das Gesicht. Dass die Natur sich in diesen Schleier aus Nebel einhüllte, war geradezu märchenhaft angesichts der Hitze, die uns vor wenigen Wochen noch eingeheizt hatte. Die Gegensätze sind krass geworden. War die Natur vor einigen Wochen ausgedörrt und dem Ende nahe, so lebt sie nun in dem Nebel nach so viel Regen wieder so richtig auf.
21. September 2022
An diesem kühlen Morgen, auf der Fahrradfahrt ins Büro, suchte ich die Zusammenhänge zu konstruieren. Am Vorabend hatte ich auf ARTE eine Dokumentation über Joni Michell gesehen, einer Sängerin, die ich fast nie beachtet hatte, die aber eine ganz Große ihres Faches war. Ihre Anfänge nahm ihre Karriere in der 1968er-Bewegung, sie war ganz nahe an Woodstock dran, war aber nicht aufgetreten, weil sie die Anreise durch das Verkehrschaos nicht mehr geschafft hätte. Die Vierergruppe Crosby, Stills, Nash and Young hatte sie kennen gelernt, die bei Woodstock aufgetreten waren, eine Zeitlang war sie liiert mit Graham Nash aus dieser Gruppe. Die ARTE-Dokumentation beschrieb den Werdegang und die Musik der Joni Mitchell, einer fantastischen Sängerin, die ständig nach neuen Stil- und Ausdrucksformen gesucht hatte. Höchst authentisch sang sie mit ihren eigenen Einstellungen und Meinungen, in ihrem eigenen Stil, auf einer ständigen Suche nach sich selbst, wovon allerdings nicht alles mein Musikgeschmack war. Nun, am Wegesrand, auf der Fahrradfahrt ins Büro, erspähte ich diesen dunklen graue Kasten, unscheinbar zwischen allerhand Gestrüpp, mit dem Peace-Symbol. Zwischen Joni Mitchell und dem Peace-Symbol gab es keine direkte Verbindung, dieses Bindeglied war vielmehr die 1968er-Bewegung, die Hippie-Bewegung, Woodstock oder wie man es nennen mag. Joni Mitchell stellte in der Dokumentation die Frage, was diese Bewegungen tatsächlich erreicht hätten. Jede Menge richtig gute Musik, das ist meine eigene Meinung. Darüber hinaus gab es viel politischen Protest, allen voran gegen den Vietnam-Krieg. Ob dessen Ende 1974 in ursächlichem Zusammenhang steht zu diesem Protest, daran dürften sich die politischen Geister scheiden. Wenig, das war Joni Mitchells Antwort darauf, was die Bewegungen tatsächlich erreicht hatten. Ursächlich wurden sicherlich die Rechte von Frauen und Homosexuellen gestärkt, während das Elend in der Dritten Welt und das Gefälle zwischen Arm und Reich nicht besser geworden war. Das Peace-Symbol hat jedenfalls die Zeiten überdauert und ist in Zeiten des Ukraine-Krieges aktueller denn je. Die Menschen heben ihre Hand, sie gehen auf die Straße und protestieren, gegen den Krieg in der Welt und gegen diesen überaus sinnlosen Aktionismus, womit sich die Menschheit beschäftigt.
22. September 2022
Die Faszination am Flughafen kam spät. Zu groß, zu riesig, zu unübersichtlich, nicht umsonst war der Frankfurter Flughafen mit Abstand der größte in Deutschland. Meine Frau hatte ich mit dem Auto dorthin kutschiert, sie flog mit unserer Tochter nach Kroatien in den Urlaub, unsere Tochter war mit dem Zug von Freiburg angereist. Das unterirdische Parkhaus sprengte jegliche Dimensionen, wenige Grün- und ganz viele Rotpfeile zeigten in den Endlosreihen die spärlich noch vorhandenen Parkplätze an. Vom Terminal 2, wo wir vom Parkhaus aus gelandet waren, mussten wir mit einer Magnetschwebebahn zum Terminal 1 fahren. Ein Gefüge von Rolltreppen mussten wir über uns ergehen lassen. Jede Rolltreppe schien über mehrere Stockwerke hinweg in Abgründe zu blicken, wenn es nach unten ging, und umgekehrt in schwindelnde Höhen, wenn es nach oben ging. Zum Gleis Fern 6 des Fernbahnhofs, wo unsere Tochter in ihrem ICE aus Freiburg ankam, mussten wir eine Endlosstrecke über Rolltreppen und Laufbändern zurücklegen, bis wir sie am Bahnsteig in unsere Arme nehmen konnten. Vollends fehlte uns die Orientierung, als wir den Check-In-Schalter B14 der Kroatischen Fluggesellschaft „Croatia Airlines“ suchten, den wir aus der Übersichtstafel sämtlicher Flüge heraus gefiltert hatten. Nirgendwo war dieser an den B-Terminals gekennzeichnet, so dass wir uns an der Information durchfragen mussten. Kurzum: dieses Monster von Flughafen machte es uns wahrlich nicht leicht, uns zurecht zu finden, und es war absolut richtig, dass wir sehr frühzeitig vier Stunden vor derjenigen Uhrzeit angereist waren, dass der Flieger von der Startbahn abheben würde. Der Abschied von den beiden Damen kam dann schneller als erwartet: nach dem Einchecken hielten die beiden die Bordkarte in der Hand, und nun waren es bereits zwei Stunden vor der Abflugzeit. Die beiden verließen mich zum Abflugterminal, von wo aus sie entschwunden waren und ich für mich alleine war. Danach begann die späte Faszination des Frankfurter Flughafens, welcher das Gesicht des Monsters abgelegt hatte. Zurück mit der Magnetschwebebahn zu Terminal 1, gelangte ich auf dem obersten Stockwerk zur Besucherterrasse. Diese eröffnete auf einer langen Front den Blick auf ein Gefüge von Start- und Landebahnen, wo ständig etwas los war. Flugzeuge starteten und landeten, mit den Aufschriften auf den langen Rümpfen der Flugzeuge konnte man die internationalen Fluggesellschaften studieren, die nach Usbekistan, Island oder in den Iran flogen. Busse beförderten die Fluggäste in die Weiten des Flugplatzes, wo sich in der Ferne die Buckel des Odenwaldes abzeichneten. Die späte Faszination des Frankfurter Flughafens hatte mich in seinen Bann gezogen.
23. September 2022
„Ich befinde mich in diesem Augenblick in einer der schönsten, angenehmsten und unbekanntesten alten Städte der Welt. (...) Drei Tage brachte ich in Bacharach zu, einer Art Wunderland am Rhein, vergessen vom guten Geschmack Voltaires, vergessen von der französischen Revolution, von den Kriegen Ludwigs XIV., vom Kanonendonner der Jahre 1797 und 1805 und den modischen Architekten, die Häuser wie Kommoden und Schreibschränke machen. Bacharach ist wohl der älteste von Menschen bewohnte Ort, den ich in meinem Leben gesehen“, so beschrieb Victor Hugo 1840 bei seiner zweiten Rheinreise das Städtchen Bacharach, wobei ihn insbesondere die Burgen am Mittelrhein, wilde Felsformationen und tief eingeschnittene Seitentäler begeisterten. Neben Victor Hugo, der Publizist und gleichzeitig Abgeordneter des französischen Parlaments war, fühlten sich weitere literarische Schwergewichte mit Bacharach verbunden, so Heinrich Heine oder Clemens Brentano. Umgeben von so viel Poesie, zog mich die Neugierde nach Bacharach, wohin ich auf der Rückfahrt vom Frankfurter Flughafen nach Hause einen Abstecher machte. Dieser Abstecher lohnte sich. Bacharach war ein wirklich schönes Städtchen, so wie ich es mir ausgemalt hatte. Der Stadtkern war klein und überschaubar. Filigranes Fachwerk, überragt von der Kirche St. Peter aus dem 13. Jahrhundert, säumte Straßen und Seitenstraßen. Drei Stadttore umgaben den Stadtkern, und der Hammer war die Wernerkapelle. Diese Ruine, dessen Umrisse mehr zu einer Kirche als zu einer Kapelle gehörten, hatte die Hochgotik konserviert und den Dichter Heinrich Heine in seinen Bann gezogen: die Ruine der Wernerkapelle hatte ihn inspiriert, die Erzählung „der Rabbi von Bacharach“ zu schreiben. Mich zog die Ruine genauso in meinen Bann, und die Aussicht vom Rand des Ruinengeländes war überwältigend. Das Fachwerk verschwand unter der amorphen Masse von Dächern, geradlinig stach der Kirchturm der Kirche St. Peter hervor. Die Burg Stahleck thronte über dem Mittelrheintal, das längst zum Weltkulturerbe avanciert war. Dass Bacharach eine Art Wunderland am Rhein war, diese Faszination eines Victor Hugo konnte ich bestätigen. Der Rundgang durch das Städtchen vereinigte ganz viele romantische Facetten des Mittelrheintals, und die Auswahl an Bistrots, Weinstuben, Lokalen, Cafés und Restaurants war sehr vielfältig.
24. September 2022
Ein Westfale im Rheinland ? Schaut man auf all diejenigen Nationen, die den Rhein ab dem 18. Jahrhundert bereisten, so waren dies viele Künstler aus ganz Europa, die sich vom Rhein, von seinen Burgen, Felsen und seinem tief eingeschnittenen Tal inspirieren ließen. Das war etwa ein Lord Byron oder ein William Turner, der eine Schriftsteller, der andere Maler, beide aus England. Das war ein Victor Hugo oder ein Guillaume Apollinaire, beides Literaten aus Frankreich, und natürlich ganz viele Dichter und Denker aus allen Ecken Deutschlands, das in seiner Form als Nationalstaat noch gar nicht existierte, sondern ein Puzzlespiel war von Fürstentümern, Herzogtümern, wenigen Erzbischöfen und der Vorherrschaft von Preußen. Wieso also kein Westfale im Rheinland ? Geboren in Detmold in Westfalen, hatte sich Ferdinand Freiligrath in Soest zum Kaufmann ausbilden lassen, 1837 legte er seinen Brot-Job beiseite, er hatte Erfolg mit seinen Gedichten und machte sich als Schriftsteller selbstständig. Von 1839 bis 1840 wohnte er auf einer Etage eines barocken Herrenhauses in Unkel am Rhein, dieses Zuhause – das Freiligrathhaus – steht noch heute in Unkel an der Rheinpromenade. Aus Westfalen hatte er seinen Freund Leven Schücking mitgebracht, der auf derselben Etage in einer Art von Zweier-WG logierte, und am Rhein lernte er andere Rheinromantiker wie Karl Simrock kennen. Wie Lord Byron, William Turner, Victor Hugo oder Guillaume Apollinaire faszinierte ihn eines am meisten: das waren Burgen. An jenem 29. Dezember 1839 brach für den Westfalen im Rheinland, als er aus seinem Fenster in die Richtung des Drachenfelses blickte, eine Welt zusammen. Auf der anderen Rheinseite gegenüber dem Drachenfels, war der Rolandsbogen nicht mehr zu sehen. Dieser Rolandsbogen hatte als Ruine die Eroberungszüge Ludwigs XIV. überstanden, und nun war er in sich zusammen gestürzt. Freiligrath betrachtete es als sein Lebenswerk, seine Beziehungen zur Kölnischen Zeitung zu nutzen, Spenden zu sammeln und den Rolandsbogen wieder aufzubauen. Nach dem Wiederaufbau des Rolandsbogens zog der unermüdliche und rastlose Westfale weiter. 1840 endete seine Zeit in Unkel, während sein Wohnhaus mit der barocken Fassade, das noch heute „Freiligrathhaus“ genannt wird, die Zeiten überdauerte. Wegen der Liebe verließ der unermüdliche und rastlose Westfale den Rhein. Es war die Tochter eines Gymnasiallehrers aus Weimar, in die er sich verliebt hatte. Die beiden heirateten in Thüringen und zogen 1841 nach Darmstadt. Aber noch im selben Jahr packte die beiden erneut die Faszination des Rheins: das junge Ehepaar zog nach St. Goar am Rhein.
25. September 2022
Es sollte bis zum letztmöglichen Termin in diesem Jahr dauern, dass wir die Konzertreihe des Sommerfestivals in der Rheinaue besucht haben. Ich war mit meinem Schwager unterwegs, wobei wir die Herausforderung zu meistern hatten, eine gemeinsame Stilrichtung zwischen seinen Vorlieben des deutschen Schlagers und meinen Vorlieben des Rock zu finden. Das bisher einzige Mal, das war noch in Zeiten vor der Pandemie, hatten wir ein Jazz und Boogie-Konzert besucht – ein ausgezeichnetes Konzert. Das heutige Konzert war mindestens genauso gut – diesmal gaben die „Tomcats“ aus Köln die Rhythmen und die Gitarrenriffs des Rock’n’Roll zum besten. Ihre Stücke, die unter der Überschrift standen „more than the 50es Rock’n’Roll“, begannen mit Legenden aus den 1950ern wie Gene Vincent, Eddy Cochran, Buddy Holly oder Jerry Lee Lewis. Zwischen diesen Stücken zeigten sie, dass sie mehr drauf hatten als diese Urgesteine des Rock’n’Roll: sie spielten den 1980er-Hit „Tainted Love“ von Soft Cell in einer Rock’n’Roll-Version oder auch das Stück „Foot Loose“ von Eddy Rabbit. Sie spielten auch zwei, drei eigene Stücke, die sie selbst komponiert hatten. Den Stray Cats aus den 1980er Jahren widmeten sie mehrere Stücke. Zwischendurch fanden sie zu Klassikern des Rock’n’Roll zurück wie „Tutti Frutti“ von Little Richard oder „Let’s twist again“ von Chubby Checker. Ganz wild wurden ihre Rhythmen, als sie Stücke, die ganz und gar nichts mit Rock’n’Roll zu tun hatten, damit kombinierten. Das war etwa der Affensong „ich wär so gern wie du“ aus dem Dschungelbuch oder das Beatles-Stück „Octopus Garden“. Mit zwei Pausen dauerte das Konzert drei Stunden, und einige Zuhörer vermissten den „king“ des Rock’n’Roll: Elvis Presley. Kein einziges Elvis-Stück war in ihrem Repertoire, anstatt dessen viele Stücke von Buddy Holly oder von den Stray Cats. Ich selbst bedauerte dies überhaupt nicht, denn ihre Musik war höchst authentisch, sie begeisterte, sie war abwechslungsreich und höchst kurzweilig mit überraschenden Momenten. Wir beide freuen uns auf das nächste Jahr, welches Musikangebot das Sommerfestival in der Bonner Rheinaue bereit halten wird.
26. September 2022
Ein paar SMSn ging es hin und her, dass sich das Ohr der großen Tochter entzündet hatte, so dass sie einen Arzt nach Dubrovnik aufsuchen musste. Dort fanden sie eine Apotheke, und ich sollte meiner Frau 150 Euro überweisen. Meine Frau hatte bereits heute Mittag geschrieben, und ich hatte all die SMSn erst jetzt im Café im Nachbarort gelesen. Derweil hatte ich den Schwager zur Logopädie gefahren, und während seiner Logopädie hatte ich ein Café aufgesucht. Ich trank meinen Kaffee, aß ein Stück Herrentorte dabei und grübelte über die Themen des Tagebuchs herum, wobei ich bedauerte, dass ich keine alte französische Zeitung oder alte Ausgabe der FAZ Woche mitgenommen hatte, da diese mir stets Anregungen lieferten. Beim Grübeln in den Hinterstübchen meiner Gehirnkammern schaute ich das Fenster hinaus auf die Kirche im Nachbarort, weswegen ich dieses Café sehr gerne aufsuchte. Das Café lag im Ortskern, und die Kirche mit dem gelbgestrichenen Turm und dem zart übermalten Ziegelmauerwerk hatte die alte Bausubstanz erhalten. Hier ließ es sich gut aushalten, die Zeit bis zum Abholen des Schwagers ließ sich gut überbrücken. Draußen hatte Regen eingesetzt, der die herbstlich anmutenden Temperaturen herunter fuhr.
27. September 2022
Habe mich massiv über Banken geärgert, namentlich über die Sparda Bank. Wir haben mehrere Girokonten, darunter eines bei der Sparda Bank. Im alten Jahr hatten wir Post bekommen, wir sollten neue Vertragsbedingungen unterschreiben, die Verwahrungsentgelte – oder auch Negativzinsen – für Sparkonten erlauben sollten. Da ich im Internet nachgelesen hatte, dass dazu Gerichtsverfahren anhängig waren, ignorierte ich die Post der Sparda Bank. Diese meldete sich, stark zeitversetzt, im Juni wieder und erinnerte an die Post mit den neuen Vertragsbedingungen. Diese ignorierte ich erneut eine Zeitlang und betrachtete das Thema nach der Leitzinserhöhung der EZB am 21. Juli 2022, der weitere Leitzinserhöhungen bis auf 0,75% im September folgten, als obsolet. Denkste. Am 21. September 2022 schrieb uns die Sparda Bank, dass sie die Bank Card und das Online Banking zu unserem Girokonto kündigt. Anscheinend ist es der Sparda Bank gleichgültig, ob sie ihre Kunden halten möchte oder ob die Kunden zur Konkurrenz abwandern – gerade im Umfeld der Leitzinserhöhung, dass Bankkunden perspektivisch wieder mit Zinsen auf Sparguthaben rechnen können. Ich ärgerte mich, dass wir wegen des Hypothekendarlehens für den Umbau des Hauses des verstorbenen Schwiegervaters mit der Sparda Bank verflochten waren. Die Monatsraten von Zinsen und Tilgung sollten von einem Konto der Sparda Bank eingezogen werden, und ich verspürte keine Lust, mich mit der Sparda Bank anzulegen, diese Monatsraten von einem anderen Konto einzuziehen. So beließ ich es dabei, ich begab mich zu einer Filiale der Sparda Bank und akzeptierte die neuen allgemeinen Geschäftsbedingungen. Das war zwar ein Verrat vor mir selbst, aber ich war froh, dass alles beim alten bleiben konnte.
28. September 2022
Nach dem Ärger mit der Sparda Bank brauchte ich einen Ruhepunkt. Die Filiale gegenüber dem Busbahnhof lag zwar zentral, aber in einem hektischen Umfeld von Menschen, die vom Hauptbahnhof weg drängten und zu den Bussen hin drängten, eine anonyme Masse, die an den Fronten von orientalischen Imbissen vorbei spazierte. Diesen Ruhepunkt fand ich in dem Kreuzgang des Klosters. Dieser Ort mitten in der Stadt, im Schatten der Münsterkirche, ist in der Tat unglaublich. Ein Ort der Stille, der nach der Bestimmung von Kreuzgängen mich zu einer inneren Ausgeglichenheit zurückfinden ließ. Ich tauchte ein in die geometrische Anordnung des Klostergartens, und ich war erleichtert, dass die große Trockenheit nun vorbei war. Es grünte und blühte im Klostergarten, Blumen und Stauden sprossen in die Höhe, Kräuter und Gräser bedeckten den Erdboden, der Ruhepunkt inmitten des hektischen Stadtlebens fand zu sich. Den Ärger mit der Sparda Bank hatte ich zunächst abgeschüttelt.
29. September 2022
Unbekanntes Hessen. Bevor ich meine Frau vom Flughafen Frankfurt abholte, als sie zurückkehrte von ihrem Urlaub in Kroatien, studierte ich die Landkarte. Was lag dicht an der Autobahn A3 und lohnte sich auf der Fahrt nach Frankfurt anzuschauen ? Ich stieß auf Idstein, dessen Name wenig spektakulär klang in der undefinierbaren Masse des Bundeslandes Hessen. So ganz unbekannt war mir Hessen nicht aus früheren Zeiten, da ich Teile meiner Ausbildung Anfang der 1980er Jahre in der Nähe von Darmstadt absolviert hatte. Von dort aus hatten wir den einen oder anderen Ausflug gemacht in hübsche Fachwerkstädtchen – wie etwa Michelstadt im Odenwald, Seligenstadt am Main oder Büdingen in der Wetterau nordöstlich von Frankfurt. Die Architektur des Fachwerks war vielleicht in Hessen noch etwas üppiger, die Erbauer übten sich an den Ausprägungen der Verzierung, das Fachwerkgebälk stand dicht an dicht, die Verschnörkelungen und die Sprüche über dem Gebälk nahmen kein Ende. Ein mittelalterliches Fachwerkstädtchen wie aus einem Guss, so sah denn der Stadtkern von Idstein im Internet aus – und so sollte ich ihn auch vorfinden. So verließ ich die Autobahn A3 an der Ausfahrt Idstein, bis Frankfurt waren es noch 47 Kilometer. Die Ausfahrt mündete auf die Bundesstraße B275, die mich danach über etliche Kreisverkehre wirbelte. Nach all diesen Kreisverkehren fand ich in das Parkhaus der Idsteiner Altstadt, das direkt mittendrin in der perfekten Fachwerkkulisse lag. Das war ein Stück unbekanntes Hessen, das sich lohnte anzuschauen.
30. September 2022
Mittlerweile vertragen sich unsere Vierbeiner mit unserer neuen Bewohnerin deutlich besser miteinander. Dass sie sich gegenseitig anfauchen, hat sichtlich nachgelassen. Wobei das gegenseitige Anfauchen aber auch an unserem kleinen Kätzchen liegt, die unsere Kater gerne anspringt, auf sie drauf springt oder auch ganz einfach nur mit ihnen spielen will. Einstweilen kuscheln sich unsere Kater Rambo und Jumbo mit ihr gemeinsam in unserem Bett. Dabei ist unser Bett gerne einer der Lieblings-Kuschelecken in unserem Haus. Nun hat sich Lilly zu Rambo und Jumbo dazu gesellt. Nachdem alle ihr aktive Phase gehabt haben, müssen sie erst einmal ausruhen. Auf der Bettdecke schlafen sie ganz fest, und nichts vermag sie aufzuwecken. Nur unser Kater Oskar streift wahrscheinlich draußen herum.
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