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weiße Turnschuhe

In dem gestrigen Theaterstück „weiße Turnschuhe“, das wir mit Freunden im Contra-Kreis in der Bonner Innenstadt besucht haben, haben wir uns krumm gelacht. Der Schauspieler Jochen Busse war ein Phänomen. Mit seinen 84 Jahren stand er immer noch auf der Bühne – und wie !!! In seiner Rolle verjüngte er sich geringfügig und spielte einen 75 Jahre alten, topfitten und kerngesunden Rentner mit dem Vornamen Günter. Günter, mit Nachnamen Keller, bewohnte eine Maisonettewohnung im 5. Stock, wo das Treppensteigen eine leichte Übung für ihn war. Darüber hinaus joggte er und ruderte, an Fitnessgeräten übte er seinen Sportsgeist in seinem Appartement. Er trank keinen Alkohol und ernährte sich ausgewogen, die körperliche Fitness bestimmte sein Wohlfühlgefühl. Mehrere Paare weißer Turnschuhe, die auf einem Wandregal standen, waren das Symbol für seine körperliche Fitness.


Alleine mit seinem Untermieter, lebte er in dieser Abgeschiedenheit ein glückliches, gesundes Leben. In diese vollendete Harmonie platzte eines Tages sein Sohn Kai herein, der ihm verkündete, dass er pleite war. In seiner Weitsicht, dass Günter seinem Sohn die Familienimmobilie überschrieben hatte, um Mieterträge zu erzielen, war eine Pleite nicht vorgesehen. Die Frau seines hatte einen Architekten kennen gelernt, der ordentlich Geld am Stecken hatte und eine Immobilie in Kitzbühel besaß. An seiner Traumimmobilie, einem stillgelegten Schwimmbad, verschätzten sich alle Beteiligten. Sein Sohn verzockte sich mit dem vererbten Mietshaus, und der Architekt trauerte seinem vergeblichen Planungsaufwand auf einem weiteren, in seinem Besitz befindlichen Haus auf Ibiza nach.


Das Lustspiel nahm volle Fahrt auf, als sein Sohn Kai im 5. Stock seiner Wohnung auftauchte und ihm die Lösung präsentierte: er hatte für seinen Vater, ohne ihn zu fragen, die Pflegestufe 4 beantragt. Dabei hatte er ein Gutachten seines Hausarztes, der mittlerweile verstorben war, gefälscht. Dieses Gutachten beschrieb in allen denkbaren und undenkbaren Facetten einen Gesundheitszustand seines Vaters, der die Pflegstufe 4 quasi nur noch als Formsache zur Folge hatte. Gebrechlichkeit, Schwerhörigkeit, Inkontinenz, Vergesslichkeit bis zur Demenz und so weiter. Um die Dramatik der Situation noch zu verstärken, hatte der Sohn sogleich eine Gutachterin des medizinischen Dienstes der Erfurter Krankenversicherung (eine Thüringerin mit einem Originaldialekt) in die Wohnung bestellt. So kreuzte die Gutachterin mit dem Namen Silke Weber urplötzlich, wenngleich angekündigt, auf.

Das Theaterstück lebte von seiner Situationskomik, von Doppeldeutigkeiten, von pointierten Dialogen und der mitreißenden Rollenkomik eines Jochen Busse, dessen Anpassungsfähigkeit an die Gebrechlichkeit einer Pflegestufe 4 unglaublich war. In seiner Rolle als Günter Keller gelang ihm seine Verstellung perfekt. Seine Schwerhörigkeit äußerte sich in den Dialogen: „hat sie in der letzten Zeit mal was gesagt“ (gemeint war die Gutachterin). Auf die Frage, wie die Arzttermine bei seinem Hausarzt verlaufen seien, antwortete er „wenn sie mich so fragen, das Wetter heute ist nicht so kalt wie gestern“. Ganze Sequenzen von Sätzen spulten sich gleichförmig ab „Jajaja, doch doch doch, kann man nicht anders sagen … „ Besonders spannend und wo man sich vor Lachen kaum noch halten konnte, waren Wortsequenzen, in denen er seine Sportlichkeit nicht verbergen konnte. Wie etwa: „heute Nachmittag gehen wir ins Schwimmbad“ … darauf der Sohn: „Papa nennt seine Badewanne immer Schwimmbad“ … der Sohn ergänzte: „wenn er morgens mit dem Krückstock aufsteht, nennt er das Stabhochsprung“ … und der Vater fügte hinzu: „gleich gebe ich meinem Sohn eine Ohrfeige, das nennt man Rückhand“. Einen totalen Lacher erzeugte die Doppeldeutigkeit mit seiner Hündin Mandy. Die Gutachterin fragte seinen Mitbewohner Max, was Günter besonders aus der Bahn geworfen habe. Dies sei die Sache mit Mandy, antwortete der Mitbewohner. Im Kofferraum seines Autos habe er sie eingesperrt. Wenn sie ein attraktives Männchen gesehen habe, sei sie 1,50 Meter in die Höhe gesprungen. Einen ähnlichen Sprung habe sie gemacht, wenn man ihr ein Würstchen vorgehalten habe. Er habe sie erlöst mit Schlaftabletten, nach ihrem Tod habe er sie eigenhändig im Stadtwald verbuddelt. Erst als der Mitbewohner beschrieb, dass sie beim Hasso von der Nachbarin geleckt habe, konnte die Gutachterin zuordnen, dass es sein Hund – und nicht seine Ehefrau – gewesen war.


An dem Theaterstück gefiel ebenso, dass Jochen Busse das Publikum einbezog. Drei Gäste, die später kamen, begrüßte er durch seinen Kommentar, dass er nicht zusammenfassen würde, was bis dahin geschehen war. Ähnliches geschah, als zwei Personen das Theater kurz vor Schluss verließen. Dann äußerte er in einer Situation wie anstrengend er diese Rolle empfinden würde. „Ehrlich gesagt, dass diese Rolle so schwierig ist, hätte er nie und nimmer für möglich gehalten.“ Ganz zum Schluss, beim Abschied von der Bühne gestand er ein, dass das Publikum gerne eine Zugabe hätte, beim Theater sei dies aber nicht vorgesehen. Die Länge des Stückes sei festgelegt, und man könne dies nicht einfach durch ein paar Szenen verlängern.


Lange Zeit sind wir nicht mehr ins Theater gegangen, und lange Zeit haben wir nicht mehr so viel gelacht.

 

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